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Archiv-Artikel

Warnschüsse an die Opposition

PROTESTE Die Unruhen hielten Montag an. Ein Neffe des Oppositionsführers Mussawi starb. Sein Leichnam ist verschwunden

VON BAHMAN NIRUMAND

Nach offiziellen Angaben hat es bei den gewalttätigen Protesten am Wochenende acht Tote gegeben. Die Opposition hatte bereits am Sonntagnachmittag von vier Toten in Teheran und vier Toten in Täbris im Nordwesten Irans gesprochen. Diese Angaben wurden zunächst von der Polizei dementiert. Am Abend bestätigte die Polizei in einer Erklärung dann aber den Tod von fünf Personen. Vizepolizeipräsident Ahmad Resa Radan bezeichnete in einem Interview mit der halbamtlichen Agentur Fars die Todesfälle als „verdächtig“. Jedenfalls habe die Polizei keine Waffen gegen Demonstranten eingesetzt, sagte er. Seinen Informationen zufolge sei einer von einer Brücke gestürzt, zwei weitere Personen seien von Privatfahrzeugen überfahren und ein Vierter unter höchst merkwürdigen Umständen durch Schüsse getötet worden.

Laut Radan wurden etwa 300 Demonstranten festgenommen. Über die Zahl der Verletzten machte der Polizeisprecher keine Angaben, auch nicht über den Tod von Ali Mussawi, einem Neffen des Oppositionsführers Mir Hossein Mussawi. Wie die Mutter des Getöteten in einem Interview am Montag sagte, wurde ihr Sohn zunächst mit Verletzungen an Kopf und Schulter ins Krankenhaus gebracht, wo er kurz darauf starb. Seitdem sei die Leiche verschwunden. „Niemand weiß, wo die Leiche ist, niemand fühlt sich dafür verantwortlich“, so die Mutter. Nach Einschätzung politischer Beobachter will das Regime verhindern, dass die Opposition die Trauerfeier für den Verstorbenen zum Anlass für weitere Protestkundgebungen nimmt. In einer ersten Stellungnahme sagte Mir Hossein Mussawi, der Neffe sei gezielt getötet worden. Der Mord wäre eine Warnung an ihn persönlich.

Das Regime versucht nun ausgerechnet den Mord an Ali Mussawis Neffen der Opposition anzulasten. So schrieb die Agentur Fars, „konterrevolutionäre terroristische Gruppen“ hätten einen Verwandten Mussawis getötet. Untersuchungen hätten ergeben, dass die benutzten Waffen eindeutig aus dem Arsenal der „abtrünnigen Terroristen“ (gemeint sind die oppositionellen Volksmudschaheddin) stammen! Wie einige Webseiten der Opposition berichten, wurden neben Hunderten von Demonstranten Sonntagnacht und Montagmorgen auch einige prominente Politiker und Menschenrechtsaktivisten festgenommen, unter ihnen der frühere Außenminister und jetzige Vorsitzende der Freiheitsbewegung Ebrahim Jasdi sowie der bekannte Journalist Emadeddin Baghi. Yadi wurde um drei Uhr nachts in seinem Haus abgeholt.

Mehdi Karrubi, einer der Oppositionsführer, hat in einer Erklärung auf seiner Website das brutale Vorgehen gegen Demonstranten scharf verurteilt. Es sei eine „unverzeihliche Sünde“, gerade am Aschura-Tag, dem wichtigsten Trauertag der Schiiten, so brutal gegen Demonstranten vorzugehen. Eine solche Missachtung der heiligen Tage habe nicht einmal der Schah gewagt. „Was ist geschehen, dass ein Staat, der aus einem Aufstand am Aschura-Tag hervorgegangen ist, gerade an diesem Tag das Blut der Gläubigen vergießt und eine wild gewordene Horde auf unschuldige Menschen loslässt“, schreibt Karrubi.

Als „beschämend“ bezeichnete Karrubi auch, dass eine Veranstaltung mit dem früheren Staatspräsidenten Mohammed Chatami am Samstag von Schlägertruppen gesprengt wurde. Während Chatami in einer Moschee vor einer Versammlung von zweitausend Personen sprach, drangen einige Dutzend gewalttätige Demonstranten ein, beschimpften Chatami als Verräter und Lakai des Westens. Chatami musste seine Rede abbrechen.

Während die Unruhen auch am Montagmorgen im Westen Teherans und in einigen anderen Städten andauerten, versuchten die Medien, die nahezu gänzlich vom Staat monopolisiert sind, die Bedeutung der Ereignisse herunterzuspielen. Es wird von „Grüppchen“ gesprochen, die im Auftrag ausländischer Feinde Unruhe stiften wollten. In einigen Blättern wird die Forderung erhoben, endlich die „Verräter“ festzunehmen und zu bestrafen. Gemeint sind vor allem die Oppositionsführer Mussawi, Karrubi und Chatami. Auch der frühere Staatspräsident, Haschemi Rafsandschani, zurzeit Vorsitzender des Experten- und des Schlichtungsrats, wird in einigen Zeitungen als Drahtzieher der Unruhen genannt.

Die USA haben das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten scharf kritisiert. Washington verurteile „die gewaltsame und ungerechte Unterdrückung von Zivilisten im Iran, die ihre Grundrechte ausüben“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Mike Hammer, am Sonntag. Auch Angela Merkel kritisierte das Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte als „inakzeptabel“.