: Mein Freund der Baum ist Tod
Mecklenburg-Vorpommern ist bekannt für seine prachtvollen Alleen. Doch der Schein trügt, sieht man sich die Unfallbilanzen der letzten Jahre an. Demnach sind viele der Getöteten in Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenhang mit einem so genannten Baumunfall zu beklagen
von Benjamin Moldenhauer
Neben Brandenburg ist Mecklenburg-Vorpommern das deutsche Bundesland mit den meisten Alleen. Doch die Idylle hat auch ihre Tücken. Bis September starben dieses Jahr 58 Menschen bei Baumunfällen. Das ist ein gutes Drittel der Verkehrstoten in Mecklenburg-Vorpommern. In Deutschland stirbt jedes vierte Unfallopfer am Baum. Trotz dieser Zahlen will die Landesregierung in Schwerin innerhalb der nächsten acht Jahre 141.000 Bäume anpflanzen, um den Verfall der Alleen zu stoppen.
Eine Abholzung sei nie ernsthaft in Erwägung gezogen worden, so der Pressesprecher des Wirtschaftsministeriums. Schließlich seien die Alleen ein Kulturgut. Und ihr Schutz ist sogar in der Landesverfassung verankert. Die Autofahrer müssten sich den Gegebenheiten anpassen. Um das Risiko zu vermindern, wird verstärkt auf Geschwindigkeitskontrollen und die Beplankung der Straßenränder gesetzt. Und tatsächlich hat sich in den letzten Jahren die Zahl der Verkehrstoten verringert.
Die Naturschützer begrüßen die Pläne der Landesregierung. „Es ist wunderbar, dass es das endlich gibt und Nachpflanzungen möglich sind“, meint der BUND. Der übermäßige Einsatz von Tausalz habe während der langen Frostperiode letztes Jahr große Schäden verursacht. Sicherheitstechnisch sei die Vergrößerung des Baumbestandes kein Problem: es bestünde keine Korrelation zwischen der Zahl der Bäume und der der Verkehrstoten. Geschwindigkeitsbegrenzungen und Plankensetzung würden als verkehrspolitische Maßnahmen völlig ausreichen – schließlich trage der Autofahrer die Schuld am Unfall, nicht der Baum.
„Natürlich sind Bäume gefährlich“, meint hingegen Thomas Hessling vom ADAC. „Wir sind schließlich nicht mehr mit Zweispännern unterwegs, sondern mit Sechzigtonnern.“ Trotzdem hat der ADAC nichts gegen die Alleen, allerdings könne man sie nicht mehr so anlegen wie noch vor fünfzig Jahren. Wenn man die Alleen erhalten wolle, dann solle bei der Bepflanzung darauf geachtet werden, dass der Abstand der Bäume zum Straßenrand nicht zu gering ist. Und auch wenn Schutzplanken nicht schön anzusehen sind: „Es ist immer noch besser, an einer Planke entlangzurutschen, als frontal auf einen pfahlartigen Gegenstand zu knallen“, so Hessling. Die Landesregierung sei gut beraten, wenn sie bei den Bepflanzungen auf die Sicherheitsvorkehrungen achte.
Die Bäume, Linden zumeist, werden in einem Abstand von 3,5 bis 4,5 Metern vom Straßenrand eingesetzt. Dadurch müssen allerdings Privatgrundstücke in Anspruch genommen werden – was wiederum mit hohen Kosten verbunden ist: 41 Millionen Euro, schätzt Schwerins Wirtschaftsminister Otto Ebnet. Die Finanzierung sei noch nicht gesichert, warnt der BUND. Doch der Plan der Landesregierung sei ein Schritt in die richtige Richtung.