Kommentar Griechenland: Griechenland soll stärker sparen

Der EZB-Chef hat Griechenland wie ein renitentes Kind abgekanzelt, das elterliche Strenge erfahren muss. Das Wichtigste hat er dabei übersehen.

Die Griechen sind selbst schuld. Diese Botschaft hat nun auch Jean-Claude Trichet verbreitet, der Chef der Europäischen Zentralbank. Zwar hat er die Griechen nicht in seiner Rede erwähnt, die er als diesjähriger Preisträger des Aachener Karlspreises gehalten hat. Aber implizit war es überdeutlich: Trichet hat die Griechen wie renitente Kinder abgekanzelt, die elterliche Strenge erfahren müssen.

Konkret schlägt Trichet vor, dass die EU direkt in die Politik der Pleitestaaten eingreifen kann. Wenn sie nicht den Vorschlägen aus Brüssel folgen, dann gibt es ein Veto. Wer nicht selbst wirtschaften kann, so die Idee, der wird eben bewirtschaftet.

Dieser radikale Vorschlag verfolgt erkennbar den Zweck, dass Trichet als radikaler Denker in die EU-Geschichte eingehen möchte. Leider wurde dabei auch deutlich, wie radikal simpel Trichet offenbar denkt. Für ihn teilt sich die EU in Gute und Böse, in Folgsame und Sünder. Wer Defizite hat, der "hat die Regeln nicht eingehalten". Wer sich wie Deutschland in Leistungsbilanzüberschüssen sonnt, der ist brav und hat die Regeln befolgt. Nirgends taucht der zwingende Gedanke auf, dass permanente Überschüsse nur möglich sind, wenn andere Länder ebenso permanente Defizite aufweisen.

Deutschland ist nicht schuldlos, sondern hat die Kreditblasen in Griechenland, Portugal, Irland oder Spanien finanziert, indem es die Überschüsse aus seinen Exporten dorthin verliehen hat. Wer die Defizit-Länder bestraft, müsste auch bei den Export-Fetischisten durchgreifen. Doch davon ist bei Trichet nichts zu hören.

Trichet inszeniert sich als ein Denker für die Zukunft, doch offenbart er sich als ein Theoretiker der Vergangenheit. Zur Lösung der Euro-Krise hat er nichts beizutragen. Ihm fällt nur ein, dass die Griechen noch stärker sparen sollen - obwohl die bisherigen Kürzungen bereits eine tiefe Rezession ausgelöst haben.

So tumb wie Trichet ist auch die "Troika", die aus Experten der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds besteht. Sie haben einen neuen Bericht zu Griechenland verfasst, und auch ihnen fällt vor allem ein, dass das Land stärker sparen soll. Wieder wird das systemische Problem ignoriert, dass Defizite und Überschüsse zusammengehören. Griechenland ist nicht allein schuld.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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