Polizeiaktion auf Dresdner Anti-Nazi-Demo: Handy-Überwachung hat Nachspiel
Nach der Erfassung tausender Handydaten spricht Wolfgang Thierse (SPD) von einem "skandalösen Vorgang". Nun wird sich auch der sächsische Landtag mit dem Thema befassen.

Unter Generalverdacht: Handybenutzer bei der Anti-Nazi-Demo im Februar in Dresden. Bild: leugim / photocase.com
BERLIN taz | Nachdem bekannt geworden ist, dass die Polizei bei einer Anti-Nazi-Demo in Dresden Tausende Handys überwacht hat, fordert die Opposition im sächsischen Landtag Aufklärung. Die SPD-Fraktion hat am Montag eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung gestellt.
"Wir fordern von der Regierung Aufklärung über Umfang und Begründung der Maßnahme sowie den Verbleib und die Verwendung der dabei gewonnenen Daten", sagte der sächsischse SPD-Fraktionchef Martin Duling der taz. Die sächsische Grünen-Fraktion hat für die kommenden Tage zudem eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses beantragt. Auf Antrag der Linksfraktion findet kommende Woche eine Aktuelle Debatte im sächsischen Landtag statt, in der eine Regierungserklärung gefordert wird.
Die taz hatte berichtet, dass die Dresdner Polizei bei den Protesten im Februar eine sogenannte Funkzellenauswertung durchgeführt hat. Dabei wurden sämtliche eingehende Anrufe und Kurzmeldungen aller Personen, die sich am Nachmittag des 19. Februar in der Dresdner Südvorstadt aufgehalten haben, erfasst und gespeichert. Die Behörden wollten so die Täter eines Angriffs auf Polizisten ermitteln. In mehreren Fällen wurden die Handydaten aber zweckentfremdet und flossen in andere Ermittlungsakten ein.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) spricht von einem "skandalösen Vorgang", sollten sich die Überwachung bestätigen. "Die Geisteshaltung, die hinter einer solchen Respektlosigkeit gegenüber den Bürgerrechten steht, kann zu einer Bedrohung für die Demonstrationsfreiheit, für Rechtsstaat und die Demokratie werden", sagte er der taz. Thierse hat am 19. Februar gemeinsam mit vielen andere Parlamentariern aus Bund und Ländern gegen den Naziaufmarsch demonstriert.
"Alle rund 15 Abgeordnete meiner Fraktion, die in Dresden dabei waren, werden ein Auskunftsersuchen an Polizei und Staatsanwaltschaft stellen", kündigte Katharina König, Thüringer Landtagsabgeordnete der Linkspartei, an. Sollte sich ergeben, dass auch Handydaten von Parlamentariern ermittelt und gespeichert wurden, werden sie dagegen klagen.
Das Bündnis "Dresden Nazifrei" startet ab Mittwoch eine Kampagne, in der alle potenziell betroffenen Demonstranten und Anwohner dazu aufgerufen werden, von ihrem Auskunfsrecht Gebrauch zu machen. Ab Mittwoch soll ein entsprechendes Musterschreiben online verfügbar sein. Nach dem sächsischen Datenschutzgesetz können Bürger kostenfrei Auskunft bei Behörden über ihre gespeicherten personenbezogene Daten, Zweck und Rechtsgrundlage der Verarbeitung sowie Herkunft beantragen.
Leser*innenkommentare
Christian Relling
Gast
@Sempralon
Es ist eigentlich egal, ob das Bundesverfassungsgericht dies als gesetzeswiedrig eingestuft hat oder nicht, Fakt ist, die "Polizei" steht über dem Gesetz, jedenfalls ist das die Ansicht der Schergen. Aus meiner Erfahrung hier in Hamburg wird jedes Verbrechen durch Staatsorgane weggewischt und nicht geahndet. Das ist leider so, da hilft auch kein BVG, da hilft nur anderes..... das sage ich hier aber nicht öffentlich, sonst klingelt es gleich an meiner Tür...
Fight back!!
Ralf
Gast
Ich hoffe dass alle Verantwortlichen mit großer Härte bestraft werden.
Dieser Fall hat ein großes Besonderes öffentliches Interesse.
Sollte die Regierung diese Verletzung des Grundgesetzes zulassen,
wird das Vertrauen der deutschen Bürger in unserem Rechtsstaat zutiefst erschüttert.
Hier muss ein Mahnmal gesetzt werden.
Sempralon
Gast
@Christian Relling ... das Bundesverfassungsgericht hat die VDS, die hier angewendet wurde, als Verfassungswidrig erklärt, somit haben die Auftraggeber gegen das Grundgesetz verstoßen!
Ja ich spreche es aus, diese Leute sind Gesetzesbrecher!
Saxophonist
Gast
Ich hätte da mal ein Zitat:
"Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass diejenigen, die für ihre wichtige Arbeit Steuergelder erhalten, sich zu den elementaren Grundwerten unserer Demokratie bekennen. Alles andere wäre absurd."
Nun, der das gesagt hat war Sachsens Innenminister Markus Ulbig. Allerdings sprach er dabei von der "sächsischen Demokratieerklärung", die Antragsvoraussetzug der Förderung im Förderprogramm „Weltoffenes Sachsen“ ist.
Nun, Sachsen ist durch Leute wie Herrn Ulbig weder weltoffener geworden noch werden dort selbstverständliche Bürgerrechte bei der Polizeiarbeit unter seiner Regie geachtet, eine wichtige Arbeit, für die Steuergelder verwendet werden.
Sollten wir nicht einmal von ihm verlangen, daß er diese Erklärung selbst unterschreibt? Alles andere wäre absurd.
Christian Relling
Gast
Ja ja, Staat und Ermittlungsbehörden bewegen sich mal wieder im rechtsfreien Raum. Wann gibt es endlich den Ruck den dieses Land braucht, um den Verbrechern in Behörden und bei der sog. Polizei zu zeigen wem das Land gehört?
NO PASARAN - fight back
ellen
Gast
es war cool
Wolfgang Russ
Gast
Wer hat die Überwachung genehmigt? Uder wusste der zuständige Richter nichts davon?
Der Name des Richters gehört doch auch genannt, oder?
Paul
Gast
Einfach den verantwortlichen Polizeipräsidenten bei Wegfall der Pension entlassen - dann hören solche Sachen auf.
Paul
Gast
Einfach den verantwortlichen Polizeipräsidenten bei Wegfall der Pension entlassen - dann hören solche Sachen auf.
Allendorf
Gast
Die Handyüberwachung in einem Staat, der sich als "demokratisch" bezeichnet, ist und bleibt ein Skandal. Ebenso auch die Ignoranz von bereits in Gesetzen niedergeschrieben Datenschutzrechten. Verstößt man als Privatbürger gegen Persönlichkeitsrechte, drohen Geldstrafen und Gefängnis. Mit welchen Sanktionen werden verantwortlichen Entscheider auch in Zukunft zu Rechnen haben? Vermutlich werden sich sogar Stimmen finden die Versuche diese Verstöße auch noch zu rechtfertigen.
Wenn sich dann erfahrungsgmäß nach Jahren, endlich ein Gericht entschieden haben wird, bleibt die Frage offen, ob staatliche Organe vor oder während politischer Demonstrationen oder zu Flashmobpartys einfach die Handynetze abschalten werden und angeblich zum Schutz der höherer Güter sogar gesetzlich dazu verpflichtet werden?. Die Einsatzkräfte funken ja inzwischen auf einer eigenen Frequenz? Schöne neue Welt!!!!!!
ambee
Gast
lol, und das von der Partei die in BaWü für die Wiedereinführung der VDS stimmen will...
Weinberg
Gast
Die in den Führungspositionen der sächsischen Justiz und Polizei tätigen West-„Importe“ – insbesondere aus Bayern und Baden-Württemberg – sind offenbar nicht von besonders guter Qualität. Und haben sächsische Alt-Kader (viele waren früher TIEFROT, inzwischen sind sie zu TIEFSCHWARZ gewendet) nicht mitunter Defizite in der Umsetzung von Recht und Gesetz?
Es ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht die übereifrigen Beamten und auch den/die Richter, der/die dem entsprechenden Ersuchen der Staatsanwaltschaft Dresden ihren Segen gab/en, in ihre Schranken weisen wird.
Fazit: Es ist wohl besser, Dresden - auch als Tourist - zu meiden. Mögen die Sachsen gemeinsam mit den Neonazis im eigenen Saft schmoren!
Pedant
Gast
Hihi, der Wolfgang, nun, wo er selber betroffen war von der dreisten Bespitzelung, ist sie auf einmal skandalös! Und klagen wollen die Abgeordneten nur, falls auch ihre Daten gespeichert wurden? Was sind das für (Frei)StaatsANGESTELLTE?
wohnhaft in Dresden
Gast
Ich wohne seit gut 14 Jahren in Dresden und musste im Laufe der Jahre für mich entsetzt feststellen und das auch leider immer wieder, egal, wo ich mich befinde:
Sehr viele der Bürger- und BürgerInnen haben hier ein sehr seltsames Demokratieverständnis.
(Und ich bewege mich nun schon viel in sog. alternativen und scheinbar aufgeklärten Kreisen)
Hier wird viel mit "Machtpositionen", Angst und Druck gearbeitet. Allerdings finden auch viele das mehr als in Ordnung. Mensch darf nur nichts sagen, was nicht erwünscht ist. Aber das machen auch nicht allzu viele.
Um Rechtmäßigkeit geht das dabei nicht, es handelt sich einfach um das Unverständnis für freie Meinungsäußerung und demokratisches Handeln.
Schade, so muss ich meinen Kindern, die hier aufwachsen, doch noch nach gut 20 Jahren erklären, wo das Phänomen möglicherweise herrührt: Wir wohnen in einer Stadt bzw. einem Freistaat im Gebiet der ehemaligen DDR.
Betroffener
Gast
Sehr nett, dass das mittlerweile rauskommt, da ich zu einem ausgewählten Kreis von Betroffenen gehöre, die am 19. Februar leider im Kessel saßen, wurden meine Personalien festgehalten. Innerhalb eines späteren Betroffenentreffen wurde herausgefunden, dass von allen Anwesenden die Mobil und Festnetztelefonate überwacht werden. Mehrere Betroffene haben mittels Anwalt Akteneinsicht gefordert und siehe da, seit 19.02.11 hat das LKA über 180 Seiten Telefonprotokolle angelegt. Es ist davon auszugehen, dass diese Überwachung bei allen Personen stattfindet, die am 19.02. "erwischt" wurden. Also nicht nur Überwachung am eigentlichen Tag, sondern weit darüber hinaus.
mattys
Gast
na jeder sollte wissen wo unsere polizei steht,natürlich auf der seite der rechten,die beschützt werden müssen.Rechte Glatzen schlagen nur schwächere und niemals die Polizei... ;-)
Hmmm
Gast
Das riecht schon etwas nach DDR, nur wird keiner deshalb zusammengeschlagen und nach Bautzen verschleppt. Eigentlich müsste sich ja die in Linkspartei umbenannte SED und ihre Westkollaborateure in dem Klima wohlfühlen. Obwohl...stimmt sie würden lieber selbst abhören. Dann Prügel, Bautzen, Uranbergwerk...das sozialistisch Übliche eben.
Der Analogist
Gast
Wenn das stimmt, dass Handydaten pauschal und breitflächig erfasst wurden, muss die Regierung in Sachsen ihren Hut nehmen. Stasi lässt grüssen. Mit
was soll diese Aktion denn gerechtfertigt werden?
Ulli
Gast
Wer zu dem Thema auch ein ein bischen Lachen oder Schmunzeln will, der sollte mal folgenden link anklicken
http://www.dilbert.com/fast/2011-05-27/
(sorry, aber manchmal ist auch der TOM zu toppen)
Ansonsten, ich denke hier hilft nur die politische Forderung nach einer Null-Toleranz in Abhoerfragen, sonst sind diverse Grundrechte in Tonne zu klopfen