Salzburger Festspiele: Noch wird zu Gericht gesessen

Geschäfte, Skandale, Subkultur - die Sommerszene zeigt vor den Festspielen zwei Inszenierungen eines aufgeklärten Hippies. Und versucht, das Thema Finanzen zu beenden.

Ist um den guten Ruf der Festspiele bemüht: Präsidentin Helga Rabl-Stadler. Bild: dapd

Salzburg ist ein fester Punkt auf der Karte des globalisierten Tourismus. Auf engsten Raum in der Altstadt drängen sich Touristenmassen aus Japan, Italien oder Deutschland. Trachten und McDonalds, Café Tomaselli und Red Bull - eingezwängt zwischen Mönchsberg und Salzach repräsentiert dies offenbar die perfekte Mischung aus Museum und Konsum.

Dem können auch die regelmäßig und ergiebig niedergehenden Schauer nichts anhaben. Spanier stehen vor dem Geburtshaus Mozarts in der überfüllten Getreidegasse, bayerische Allgäuer vor dem Hotel Goldener Hirsch, in dem Arnold Schwarzenegger am Mittwoch übernachtete - seine eintägige Anwesenheit beschäftigte die Medien in der Festspielstadt eine Woche lang.

Folgt man den Schaufenstern der Geschäfte, kaufen die Touristen hauptsächlich Schmuck, Edelsteine, Uhren, Lodenjacken, Pradatäschchen sowie Mozartkugeln und Kürbiskernöl - oder sind es gar die Einheimischen?

Und während Salzburgs Gäste dieser Tage mit Schirm und wetterfester Outdoorbekleidung den Mönchsberg oder die Festung Hohensalzburg erklimmen, sitzt man unten in der Stadt über den vormaligen Technischen Direktor der Salzburger Festspiele zu Gericht. Er hat viele Euros veruntreut, das Thema Geld und Kultur in Salzburg beanstandete zuletzt auch der österreichische Rechnungshof.

Und so vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler nicht um den guten Ruf der Festspiele ringt. Manche erhalten die teuren Karten zu vergünstigten Preisen und andere gar keine. Künstlerisch mögen sich die Festspiele schon lange geöffnet haben, von ihrem elitären Gestus jedoch haben sie sich nicht verabschiedet. Am 27. Juli beginnt das diesjährige Festspielspektakel, und nicht wenige hoffen, dass das leidige Thema mit den Finanzen bis dahin bitte abgeschlossen sein wird.

Was geht mit einer Million?

Einen Contrapunkt setzt da das 11. Sommerfest der Szene Salzburg. Dieses Tanz- und Theaterfestival hat sein Hauptdomizil in der "republic", einem früheren Kino in der Altstadt. Es ist den Festspielen einen Monat vorgelagert, den Subkulturen und einem breiteren städtischen Publikum verpflichtet. Eröffnet wurde es am Donnerstag mit der Show "Investment" von Davis Freeman. Eine perfekt in die Salzburger Kulisse passende Inszenierung. Freeman und seine Mittänzer und -schauspieler Jerry Killick und Rob Hayden arbeiten mit künstlerischen Brechungen und sprechen das Publikum mitunter direkt an.

So bekam jede/r Besucher/in zur Vorstellung ein Los geschenkt. Wer Glück hat, konnte damit am Sonntag bei der Ziehung der Lottozahlen in Österreich eine Million Euro gewinnen. Freemans "Investment"-Show zeigt, was man mit einer Million Euro alles machen könnte: Tiere retten, Hunger bekämpfen, Ferienhäuser kaufen usw.

Aufgeklärter Hippie

Die Show hatte Witz und verbreitete eine anarchische Stimmung, wie sie auch die Hamburger Schauspiel-Entertainer Schorsch Kamerun oder Rocko Schamoni hervorrufen können. Doch wirkt bei Freeman vieles präziser und durchdachter. Freeman ist neben seinen tänzerischen Fähigkeiten auch ein hervorragender Sprechschaupieler. Er hat eine ziemlich glamouröse Ausstrahlung, viel George Clooney und ein wenig Freddie Mercury. Filmisch gesprochen wäre seine Methode eine Kreuzung der Gebrüder Coen und Quentin Tarantinos mit der des Moralisten Michael Moore, also nicht gerade sehr üblich und auch im Theater nicht sehr weit verbreitet.

Ein aufgeklärter Hippie. Wer dies, inklusive offen ausgesprochenen Bezug auf das Marthalertheater, allerdings nicht zu goutieren weiß, der muss leiden. Wie der Kritiker der Salzburger Nachrichten, der sich in seiner Kritik fragte: "Wie hätte ich 90 Minuten meiner Lebenszeit sinnvoller angelegt …"

Da kommt auch Freemans zweite, in Salzburg am Samstag uraufgeführte Inszenierung "Expanding Energy", zur richtigen Zeit. Auch wenn diese Inszenierung im Mittelteil - ohne Freemans choreografische Mitarbeit und Anwesenheit auf der Bühne - deutlich spröder ausfiel. Doch die Szene Salzburg spielt mit Freemans "Investment" und "Expanding Energy" künstlerisch auf einem guten Niveau und zeigt klare Haltung, ohne eitle Autorität zu verbreiten. Das macht Sinn, gerade in einer solchen Stadt.

Collagenartige Pimmel- und Isis-Bilder von Jonathan Meese sind im Fußgängertunnel durch den Salzburger Mönchsberg aufgespannt. "Was Du heute kannst besorgen, verschiebe gleich auf morgen", kalauert der Berliner Erzkünstler und Salzburg-Ausflügler. Bisschen weiter unten in der Altstadt schmückt ein Peter-Handke-Spruch die Fensterfront eines Ladens: "Was soll mir die Heimat, die Sonne tuts auch." Trotz all des Regens, es ist kaum zu glauben.

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