PKK bekommt ein neues Terror-Stigma

SICHERHEIT Erstmals seit Jahren werden Aktivisten der kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland wieder als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung verhaftet. Kurdischer Rechtshilfefonds fürchtet stärkere „gesellschaftliche Ausgrenzung“ der Kurden

„Soll nun jeder Spendensammler als Terrorist verfolgt werden?“

EDITH LUNNEBACH, ANWÄLTIN

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Die Bundesanwaltschaft (BAW) verfolgt PKKler in Deutschland wieder als Terroristen. Sie setzt damit ein bisher kaum beachtetes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) um. Vorige Woche wurden zwei kurdische Jugendkader festgenommen, sie sollen der „ausländischen terroristischen Vereinigung ‚Arbeiterpartei Kurdistans‘ (PKK)“ angehören. Im letzten Jahrzehnt war die PKK in Deutschland nur als „kriminelle Vereinigung“ eingestuft worden.

Die Festnahmen erfolgten in Düsseldorf und Freiburg. Der 28-jährige Ridvan Ö. soll deutscher Leiter der PKK-Jugendorganisation Komalen Ciwan sein. Der gleich alte Mehmet A. sei ebenfalls ein „hochrangiger Jugendkader“, so die BAW. Sie sollen unter anderem junge Kurden für den Guerillakampf in der Türkei oder eine Kadertätigkeit in Westeuropa angeworben haben. Beide sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Im Mai gab das Bundesjustizministerium die Zustimmung zur Strafverfolgung.

Die PKK führte ab 1984 einen Guerillakampf in der Türkei für einen eigenständigen kurdischen Staat. Seit 1999 wird offiziell nur noch eine bundesstaatliche Lösung angestrebt. Seit diesem Jahr sitzt der immer noch als Führer anerkannte Abdullah Öcalan in der Türkei im Gefängnis und verbüßt eine lebenslange Haftstrafe.

Zuletzt hatte es einen Waffenstillstand und inoffizielle Verhandlungen zwischen PKK und türkischem Staat gegeben. Mitte Juli tötete die PKK jedoch 13 türkische Soldaten und sorgte für neue Spannungen. Als die PKK Anfang der 90er Jahre auch in Deutschland Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen verübte, wurde sie 1993 vom damaligen Innenminister Manfred Kanther (CDU) nach dem Vereinsgesetz verboten. Das Betätigungsverbot gilt bis heute.

Wegen der Anschläge wurden PKK-Funktionäre zunächst als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Strafgesetzbuch) verfolgt. 1996 versprach die PKK aber, dass sie in Deutschland keine Gewalt mehr ausüben werde. Darauf wurde sie von der BAW 1998 zwar nicht entkriminalisiert, aber zur kriminellen Vereinigung (§ 129) herabgestuft. Bei Bestrafungsaktionen gegen Abweichler, Verräter und unwillige Spender übe die PKK immer noch nötigenden Druck und teilweise Gewalt aus. Auch fälsche sie regelmäßig Ausweispapiere. Der BGH folgte dieser Linie jahrelang.

Seit Oktober 2010 gilt aber eine neue BGH-Rechtsprechung. Es wird nicht mehr auf die Aktivitäten der PKK in Deutschland abgestellt, sondern auf die der Gesamtorganisation. Zur Begründung hieß es, die PKK sei in Deutschland keine eigenständige Vereinigung mit eigenem Willensbildungsprozess. Sie führe nur Vorgaben der PKK-Zentrale aus. Die türkische PKK gilt aber als terroristische Vereinigung. Sie wird auch in der EU-Terrorliste geführt. Mit acht Jahren Verzögerung reagierte der BGH damit auf die Änderung des Strafrechts im Jahr 2002. Seit damals ist in Deutschland auch die Betätigung in einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar (§ 129b). Die früher für die Strafverfolgung erforderliche Konstruktion einer deutschen Teilvereinigung war damit nicht mehr nötig.

Die Änderung hat vor allem drei Folgen: Den PKKlern drohen höhere Strafen (bis zu zehn Jahren, früher bis zu fünf Jahren). Die Stigmatisierung als „Terrorist“ wiegt besonders schwer. Außerdem sind nach dem BGH-Urteil auch einfache Mitglieder von Strafverfolgung bedroht, während bisher nur führende Funktionäre zur deutschen „kriminellen Vereinigung“ gerechnet wurden.

Der kurdische Rechtshilfefonds Azadi reagierte empört. Das Urteil verschärfe die „gesellschaftliche Ausgrenzung“ der Kurden und schüre Ressentiments. Anwältin Edith Lunnebach, die Mehmet A. vertritt, fragt: „Soll nun jeder Spendensammler als Terrorist verfolgt werden?“ Das war sicher nicht die Intention des BGH. Der als super-rechtsstaatlich bekannte 3. Strafsenat des BGH wollte nach eigener Aussage nur das Staatsschutzrecht „harmonischer und in sich stimmiger“ auslegen. Gegen einfache PKK-Mitglieder könne ja von Strafverfolgung abgesehen werden, so die Richter.

Tatsächlich hat bisher auch die Bundesanwaltschaft noch keine neue Repressionswelle gegen PKK-verdächtige Kurden losgetreten. Die Haftbefehle gegen die beiden Jugendkader sind die bislang ersten seit Verkündung des BGH-Urteils im Oktober. Diese beiden Funktionäre wären im Übrigen auch unter der alten Rechtslage verhaftet worden.