Kommentar CDU und Hauptschulen: Die Nostalgie der Konservativen

Die Spätphase der Merkel-Ära scheint von einem konservativen Identitätsproblem begleitet zu werden, das nur in diffuses Ungefähr führt. Deshalb wankt Merkels Macht nicht.

Unter Angela Merkel ist, wenn wir einigen konservativen Leitartiklern folgen, der Union langsam aber stetig ihr Daseinssinn abhandengekommen. Merkels zweifelhaftem Modernisierungskurs sind demnach Family Values, Wehrpflicht, Atomkraft und noch mehr konservatives Tafelsilber zum Opfer gefallen. Und jetzt soll es auch noch der Hauptschule an den Kragen gehen. CDU-Politiker aus Hessen und Baden-Württemberg halten das für ein Desaster - eine für die Union drastische Wortwahl.

Doch auch bei der Hauptschule wird sich das Merkel-Lager durchsetzen. Und zwar nicht, weil es raffiniert alle innerparteilichen Gegner kaltstellt, sondern weil den Gegnern alles fehlt, was man in innerparteilichen Konflikten braucht: Argumente, ein Ziel, das die Partei mehrheitsfähig macht, führende Köpfe sowieso.

Die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen wird kommen, in welcher Form auch immer. Das ist, an vielen Orten, schlicht sinkenden Schülerzahlen und dem Zwang der Verhältnisse geschuldet. Gerade CDU-Kommunalpolitiker wissen das. Der Widerstand in der Union dagegen hat, wie bei der Abschaffung der Wehrpflicht, etwas Verhocktes und hoffnungslos Rückwärtsgewandtes.

Er speist sich aus einer diffusen Sehnsucht nach einem besseren Früher, in der das Wort Volkspartei nicht zwingend an Krise gekoppelt war, als die Gegner (Kommunismus, grüne Spinner) noch klar waren, die Kirchen wenigstens halb voll und nicht Singles, sondern Familien mit arbeitenden Vätern und Hausfrauen die Städte bevölkerten. Aber so ist es nicht mehr.

Die politische Linke hat eine ausgeprägte Fähigkeit, sich in fruchtlose Selbstverständigungsdebatten zu verstricken. Die Spätphase der Merkel-Ära scheint von einem konservativen Identitätsproblem begleitet zu werden, das nur in diffuses Ungefähr führt. Merkels Macht wankt deshalb nicht. Aber diese Stimmung zeigt, was der Union unter Merkel fehlt: eine eigene Erzählung.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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