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Archiv-Artikel

Zwischen Tanke, Pub und Knast

FILME Existenzielle Fragen statt bekannter Standards: Die Irische Filmwoche im 3001 zeigt bis nächsten Mittwoch drei ganz unterschiedliche aktuelle irische Spielfilme

„Garage“ gelingt es, die Geschichte eines Außenseiters zu erzählen, ohne sich über einen vermeintlichen Sonderling zu erheben

VON GASTON KIRSCHE

Die Weite der sattgrünen, hügeligen Landschaft, die bekannteste bewaffnete Untergrundgruppe Europas im Norden, das Bier mit der Harfe, jede Menge Ausgewanderte – und traditionelle Folkmusik, von kehligen Männerstimmen gesungen. Wem die Standards über Irland nicht reichen, wer Besseres als geschönte Werbungsbilder für irische Butter sehen möchte, hat dazu bei der Irischen Filmwoche im 3001 Gelegenheit. Drei Spielfilme der letzten beiden Jahre sind dort im irischen Original mit deutschen Untertiteln zu sehen.

Dabei spielt auch „Garage“ mitten in Irlands Grün. Und auf den ersten Blick sieht die alte Tankstelle, an der Protagonist Josie arbeitet, wie einer jener idyllischen Treffpunkte aus, an denen sich das Leben in der Kleinstadt abspielt. Aber Josie, der in der alten Garage lebt, steht morgens vor der Arbeit einsam und verloren am Waschbecken inmitten von Werkstattgerümpel. Kontakt hat der freundlich-optimistische Tankwart wenig, obwohl er seit 20 Jahren den Leuten die Tanks voll macht, im Dorf macht man sich über seine eigentümliche Sicht auf die Dinge lustig. Als eines Tages der junge David eingestellt wird, um Josie zu helfen, unternimmt er die ersten Schritte in Sachen Freundschaft – mit unerwarteten Folgen.

Gespielt wird der tragische Held von Pat Shortt, Irlands bekanntestem Komödianten, dessen Körpersprache zum Wegweiser wird, den unkonventionellen Außenseiter Schritt für Schritt besser zu verstehen. So gelingt es dem Regisseur Lenny Abrahamson, in „Garage“ die Geschichte eines Außenseiters auf dem Land zu erzählen, ohne sich über einen vermeintlichen Sonderling zu erheben. Idylle allerdings sieht anders aus.

In Marian Quinns Coming-Of-Age-Film „32 a“ steht Maeve 1979 kurz vor ihrem 14. Geburtstag und damit vor ihrem ersten BH, Anfangsgröße 32 a. Ihre Freundinnen im Dubliner Stadtteil Raheny tragen – bis auf Claire die Feministin – alle schon einen. Und haben einen Freund. Natürlich verknallt sich nun auch Maeve, ausgerechnet in den lokalen Herzensbrecher. Überwältigt und überfordert wird sie zwischen Freundinnen, Schule und Familie, Verliebtheit, Freundschaft und Loyalität hin- und hergeworfen, stolz und aufgeregt, aber auch voller Angst, den Ansprüchen nicht zu genügen.

Der dritte Film der Filmwoche spielt schließlich dort, wo Irland am unwirtlichsten ist: In den berüchtigten H-Blocks im Maze Prison außerhalb Belfasts, wo viele der männlichen Gefangenen der IRA inhaftiert sind. Ihr Anführer war Bobby Sands, der am 5. Mai 1981 27-jährig nach 66 Tagen Hungerstreik, vor allem für die Anerkennung der IRA-Häftlinge als Kriegsgefangene, starb. In seinem Debüt „Hunger“ interpretiert der britische Regisseur und visuelle Künstler Steve McQueen nun 27 Jahre später mit intensiven Bildern die Vorgänge um den Hungerstreik, fragt sich, wie es gewesen sein könnte, als Sands mit dem letzten Mittel, das ihm geblieben war, darum kämpfte, freier zu sein. Bis zum Äußersten. Die Bildersprache des jungen Regisseurs McQueen lässt dabei keine Chance zum Wegschauen. Oder Weghören: Höhepunkt des Filmes ist ein 22-minütiger, intensiver Dialog zwischen Bobby Sands und einem katholischen Priester. Die zentrale Frage: Ist es richtig, sein eigenes Leben im Hungerstreik zu opfern?

■ Fr, 1. 1. bis Mi, 6. 1., 3001, Schanzenstraße 75 (im Hof). „Garage“: 1. + 5. 1., „Hunger“: 2., 4. + 6. 1., „32 a“: 3. 1.