Justiz in China: Verschleppen soll legal werden
Das behördliche "Verschwindenlassen" unliebsamer Personen wie des Künstlers Ai Weiwei soll erleichtert werden. Ohne die Unterrichtung von Angehörigen.
BERLIN taz | Nachdem Anfang April der regimekritische Künstler Ai Weiwei in Peking von der Polizei verschleppt worden war, wurde seine Familie in den 81 Tagen seines Verschwindens nie von den Behörden über seinen Aufenthaltsort informiert. Damit verstießen Justiz und Polizei selbst gegen Chinas Recht, das sie vorgeben zu schützen.
Ähnlich waren sie zuvor mit dem späteren Friedensnobelpreisträger Liu Xiabao verfahren und gehen so auch seit diesem Frühjahr mit Dutzenden Aktivisten um. Diesen Rechtsbruch soll jetzt - trotz vieler Rechtsstaatsdialoge mit westlichen Staaten - eine geplante Reform des Strafprozessrechts legalisieren.
Ein am Dienstag auf der Webseite des Nationalen Volkskongresses, Chinas Scheinparlament, veröffentlichter Gesetzesvorschlag sieht für die milde Haftform der "Überwachung zu Hause" (eine Art Hausarrest) besorgniserregende Ausnahmen vor. Bisher war ein Gefangenhalten in einem "Gasthaus" ("schwarzes Gefängnis") der Polizei statt in der eigenen Wohnung nur dann legal, wenn die Person weit entfernt von ihrem Heimatort aufgegriffen wurde, erklärt der Menschenrechtsexperte Joshua Rosenzweig der taz.
Er leitete bis vor kurzem das Hongkonger Büro der US-Menschenrechtsorganisation Dui Hua Foundation. "Doch bald dürfen laut dem Entwurf Personen, die der Gefährdung der nationalen Sicherheit, des Terrorismus oder größerer Korruption verdächtigt werden, legal an unbekannten Orten festgehalten werden. Es entfällt dann auch die Pflicht zur Unterrichtung der Angehörigen, wenn dies Ermittlungen stören könnte." Rosenzweig nennt dies "Legalisierung des Verschwindenlassens".
"Menschenrechtsverteidigern wird oft vorgeworfen, die nationale Sicherheit zu gefährden", sagt Wang Songlian von der Organisation China Human Rights Defenders der taz. "Das Gesetz stärkt die Macht der Polizei, statt Individuen besser vor Übergriffen des Staates zu schützen. Das ist beunruhigend."
Die Behörden müssten laut Rosenzweig künftig nicht mehr wie bei regulärer Festnahme spätestens nach 30 Tagen einen Haftbefehl vorlegen, sondern hätten beim Arrest an einem beliebigen Ort dafür sechs Monate Zeit. Dies würde den verbreiteten Missbrauch legalisieren. Eine weitere geplante Verschärfung sieht Rosenzweig darin, dass Überwachungen und Telefonüberwachungen künftig von unteren Verwaltungsebenen angeordnet werden können.
Positiv ist, dass künftig keine mehr durch Folter erzwungenen Geständnisse verwendet werden dürfen. Doch wenn Verdächtige offiziell verschleppt werden dürfen und damit jedes legalen Schutzes beraubt sind, wird kaum zu prüfen sein, unter welchen Umständen Aussagen tatsächlich gemacht wurden.
Leser*innenkommentare
karlchen
Gast
Leider hat der Westen unter Präsident Bush
China hier eine Blaupause gegeben.
Der Westen muß sich selber erstmal
an die Menschenrechte halten und
nicht immer mit Diktatoren kungeln, um
unter deren Obhut Geständnisse durch
Folter zu erzwingen.
Das partielle Ausschalten des Rechtsstaates
durch beliebige Verschleppung und
Misshandlung schutzbedürftiger, chinesischer
Bürger stellt ein Verbrechen dar.
China hat erst durch das Bündnis gegen den
Terror mit dieser Ungesetzlichkeit angefangen.
Der Westen sollte den Krieg gegen den
Terror für beendet erklären und China auffordern
selbiges zu tun.
Nicht durch Schläge und Schutzlosigkeit
können die chinesischen Oppositionellen
umgestimmt werden, sondern nur durch ein
überzeugtes Herz. Ewige Gewalt und Erniedrigung
führt zu den bekannten Konsequenzen im Mittleren
Osten. Das sollte China einsehen und Vertrauen
aufbauen.
Marvin
Gast
könnten sie evt. den link zum chinesischen Orginal angeben? ich find es auf der regierungsseite einfach nicht
Timbor
Gast
@maoam:
Na dann würde ich an Ihrer Stelle aber ganz schnell umsiedeln in den vorbildlichen Rechtsstaat China.
maoam
Gast
Bei "uns" ist sie nicht nur erleichtert, die "Verschleppung", sondern immer legalisiert.
Wenn man hierzulande die Gerichtskosten nicht tragen kann, wird man auch mal ganz schnell "verschleppt".