Tablet-Computer von Amazon: Wer Kindle kaufte, kaufte auch ...
Bislang beherrscht Apples iPad mit 75 bis 80 Prozent Marktanteil den jungen Markt der Tablet-Rechner. Amazon könnte zum ersten echten Konkurrenten werden.
BERLIN taz | Google hat sich so bemüht: Zahllose Hersteller, von Samsung ("Galaxy Tab"), HTC ("Flyer") oder Motorola ("Xoom") bis hin zu kleineren asiatischen und europäischen Herstellern - alle bauen sie mittlerweile Tablet-Computer mit dem Android-Betriebssystem des Internetkonzerns.
Allein: Die Kundschaft will sie nicht. Die Konkurrenz spekuliert, dass Samsung von seiner vielbeworbenen Android-Flunder mit 7-Zoll-Bildschirm seit Ende 2010 nur 20.000 Stück abgesetzt haben könnte - trotz mehr als einer Million produzierter Geräte. Um es auf einen Nenner zu bringen: Im Tablet-Geschäft schlägt bislang niemand Apple.
Dessen iPad hat in Europa und den USA mit seinen beiden Generationen einen Marktanteil von 75 bis 80 Prozent. Die Gründe sind reichhaltig. Die Oberfläche orientiert sich am populären iPhone, ist aber für den größeren Bildschirm optimiert, die Software-Auswahl ist im Vergleich zu Android viel größer und das Gerät arbeitet, trotz Features, die es anderswo gibt, zuverlässiger und oft auch schneller als die Konkurrenz mit Google-Technik.
Offenbar sind die Nutzer weniger bereit sich auf Android einzulassen, als sie das im Smartphone-Segment bislang waren.
Kindle als Basis
Vielleicht kommt die Rettung nun in Form von Amazon. Das Online-Handelshaus vertreibt seit Herbst 2007 mit dem Kindle seine eigene Hardware, die zunächst nur zur Lektüre von Büchern gedacht war. Als Tablet-Computer kann man den mit elektronischer Tinte arbeitenden E-Book-Reader nicht bezeichnen: Grafiken werden nur in Graustufen dargestellt, an Zusatzanwendungen gibt es bislang nur einfache Spiele.
Trotzdem soll sich das Gerät bereits millionenfach verkauft haben (genaue Zahlen nennt Amazon nicht), weil es als Anzeigegerät für elektronische Bücher so gut funktioniert - und das mittlerweile zu einem Preis von 140 Euro. Amazon hat bereits erste Schritte in den Tablet- und Smartphone-Markt unternommen. Mit dem hauseigenen Amazon-App-Store lässt sich seit letztem Mai Software für Android-Handys kaufen, ähnlich wie man das von Apples App Store für iPhone und Co. und den Android Market von Google kennt.
Da Google grundsätzlich erlaubt, dass auch Drittanbieter ihre eigenen Software-Läden eröffnen, wollte Amazon seine riesige Kundendatenbank auch für dieses Segment nutzen - wer bei dem E-Commerce-Unternehmen (Kindle-)Bücher kauft, könnte sich ja auch für Apps interessieren. Das digitale Geschäft, so Amazon-Chef Jeff Bezos, soll künftig zum Kernmarkt des Unternehmens werden.
Nun gibt es ernstzunehmende Hinweise darauf, dass Amazon auch ein eigenes Tablet auf den Markt bringen will. Schon auf der IFA in Berlin war das Thema Tagesgespräch: Für 250 Dollar soll eine Art "Super-Kindle" mit Farbbildschirm in Planung sein. Das Gerät wird mit 7 Zoll kleiner ausfallen als das iPad mit seinen knapp 10 Zoll, und insgesamt wohl eher an den Nook Color von Barnes & Noble erinnern, einen E-Book-Reader mit Farbbildschirm und Android-Betriebssystem.
Überarbeiteter Online-Shop
An Software soll Amazon eine eigene Oberfläche planen, die auf Android basiert, aber "geforkt" ist - das heißt, das Betriebssystem stammt zwar von Android ab, wurde aber stark verändert und angepasst. Damit spart sich Amazon die Entwicklungsarbeit eines eigenen Betriebssystemkerns, kann die Oberfläche jedoch beliebig anpassen.
Programme dürfte Amazon über seinen App-Store anbieten, der dank eigener Hardware gleich viel mehr direkte Nutzer hat. Dass Amazon sich ins Tablet-Geschäft begeben will, dafür spricht auch eine weitere Entwicklung, die am Wochenende bekannt wurde: Die E-Commerce-Firma überarbeitet gerade ihren Online-Shop mit einer Optik, die sich gut zur Nutzung via Tablet eignet. Wann es soweit sein wird mit der Amazon-Flunder, ist bislang noch unklar.
Aus Asien waren am Dienstag Gerüchte zu vernehmen, dass die Lieferbarkeit ab November gegeben sein könnte - womöglich zunächst nur in den USA.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen