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Archiv-Artikel

VON DER KLIMAKONFERENZ IN MONTREAL IST NICHT VIEL ZU ERWARTEN Der Klima-Diplomatie fehlt der Motor

Zeigen, dass Klimaschutz funktionieren kann, das hatte die EU dem Rest der Welt versprochen. Und der Rest der Welt hat das auch von Europa gefordert: die USA taten es, weil sie dem ganzen Kioto-System misstrauen; die Entwicklungsländer, weil sie zu Recht auf den Ursprung des Klimaproblems hinweisen: den „Western Way of Life“.

Europa war bisher stets der Motor der internationalen Klima-Diplomatie. Mit gutem Grund: Ein Mitteleuropäer verursacht 20-mal mehr Kohlendioxid als ein Inder. Aber natürlich muss man auch einem Inder das Recht einräumen, vom Fahrrad auf den Benz umzusteigen – wenn er denn kann. Nun können dies aber nicht nur Inder, sondern auch Chinesen immer öfter. Stiegen aber alle auf den Benz um, so würde nicht nur das Klimasystem ziemlich schnell kollabieren. Europa hat sich deshalb bereit erklärt, einen westlichen Lebensstil zu entwickeln, der ein bisschen klimafreundlicher ist.

Ein bisschen heißt exakt 8 Prozent: Um diesen Betrag will die EU ihren CO2-Ausstoß bis 2012 senken – bezogen auf das Jahr 1990. Nur: Von diesen 22 Jahren sind 15 schon vorbei. Aktuell liegt das Abendland aber gerade mal bei minus 1,4 Prozent. Europa müsste also, will es sein Ziel noch schaffen, in der Hälfte der Zeit mehr als das Dreifache einsparen. Und das, wo doch die „leichten Jahre“ vorbei sind: jene, in denen die zusammengebrochenen Volkswirtschaften im Osten des Alten Kontinents mit höchster Energieeffizienz wieder belebt wurden. Höchste Energieeffizienz bedeutet effizienteste Reduktion von Kohlendioxid.

Schwer vorstellbar also, dass sich der Motor Europa in den verbleibenden sieben Jahren berappelt und sich doch noch ins Ziel schleppen kann. Berappelt er sich nicht, bleibt als Botschaft: Erst wirtschaftliche Verwerfungen ermöglichen effektiven Klimaschutz. Europa bleibt also gar nichts anderes übrig, als sein Klimaziel zu schaffen – und gleich ein nächstes, wesentlich ehrgeizigeres zu formulieren. Entwickelt die EU keine Ideen, wie ihr energetisch ausschweifender Lebensstil klimaverträglicher wird, wird die Welt irgendwann Europa den Lebensstil diktieren. NICK REIMER