: Was wurde aus den Märchenkindern ?
GRIMMIG In „Hänsel und Gretel: Hexenmeister“ wird gezeigt, welche Karrieremöglichkeiten ein Geschwisterpaar mit einschlägigen Erfahrungen im Kampf mit einer Hexe haben. Dabei: eine siamesische Hexe und ein mittelalterliches Meschinengewehr
VON WILFRIED HIPPEN
Das Actionkino von Hollywood hat einen unstillbaren Bedarf an Heldenfiguren. Und so wird ständig der Fundus an populären Mythen geplündert, wobei es schließlich unerheblich ist, ob man sich bei der amerikanischen Geschichte oder den Märchen der Gebrüder Grimm bedient. So erinnert „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ nicht nur wegen des Titels an „Abraham Lincoln Vampirjäger“ vom letzten Jahr, wobei dessen Prämisse (der Präsident kämpft gegen untote Sklavenhändler) zugegeben noch absurder ist. Hier wie da nutzen die Filmemacher die Aura ihrer Titelhelden aus, und basteln krude Fantasy-Spektakel um sie herum, haben aber (anders als etwa Terry Gilliam in „Brothers Grimm“) kein Interesse daran, die Mythen interessant weiter zuentwickeln. Kein Wunder also, dass es sich die Drehbuchschreiber von „Hansel und Gretel: Witch Hunters“ (kein Umlaut im Originaltitel) bequem gemacht haben und den Zentralkonflikt einfach aus einem anderen Märchen der Gebrüder Grimm geklaut haben. Die Kinder eines Städtchens wurden entführt – allerdings nicht von einem Rattenfänger und das Städtchen heißt auch nicht Hameln. Hexen haben sie gefangengenommen, um sie beim kommenden „Blutmond“ in einem grausamen Ritual zu opfern, wodurch die Hexen unbegrenzte Macht erhalten und die Menschen beherrschen würden – billiger geht es bei dieser Art von Filmen nicht.
Aber Hänsel und Gretel, deren traumatische Kindheitsgeschichte als Prolog einfallsreich, rasant und erstaunlich farbenfroh (als wäre der Lebkuchen des Knusperhäuschens mit LSD getränkt) inszeniert wurde, sind zu berühmten Hexenjägern in schwarzem Leder und mit coolen Waffen herangewachsen. Kaum im Örtchen angekommen, retten sie eine schöne rothaarige Frau vor dem Scheiterhaufen, auf dem der Inquisitor des Ortes sie unbedingt als Hexe verbrennen wurde. Nachdem sie sich so eine Reihe von verlässlichen Freunden und Feinden geschaffen haben, die dann später entweder gerettet oder verhauen werden, wenden sie sich der Suche nach den Kindern zu, die sich als eine schnell ermüdende Serie von Kampfszenen entpuppt.
Dabei geht es vor allem darum, dass sowohl die Hexen, die Waffen und die Tötungsarten möglichst spektakulär wirken. Als absurde Höhepunkte seien dabei eine siamesische Doppelhexe, ein mittelalterliches Maschinengewehr und das Zerteilen eines Körpers in einer Art Eierschneider erwähnt. Am meisten Ehrgeiz hat der norwegische Regisseur Tommy Wirkola in seinem ersten amerikanischen Film darauf verwandt, jede einzelne Hexe anders monströs wirken zu lassen.
Mit diesen beachtlichen Leistungen der Maskenbildner und Spezialisten für Spezialeffekte bietet der Film genügend Abwechslung, um für einige Zeit zu kaschieren, dass in ihm kaum etwas interessantes über seine Titelhelden erzählt wird. Dies liegt nicht an Gemma Arteron und Jeremy Renner, die sich in schwarzem Leder sehr dekorativ durch die Absurditäten des Plots kämpfen. Renner wurde in „The Hurt Locker“ zum neuen Stoiker des amerikanischen Kinos und entwickelte seinen lakonischen Stil in „Das Bourne Vermächtnis“ weiter. Hier ist er genauso unterfordert wie Famke Janssen die als diabolische Oberhexe nur ein wenig fauchen darf. Die 3-D-Effekte waren den Produzenten wichtiger als ein gutes Drehbuch. „Eye Candy“ heißen solche Gelage für die Augen in Hollywood. Hier wurde zu viel am Knusperhaus geknabbert.