Der raue Umgangston der Politiker: Arschlöcher und Rumpelstilzchen
Ronald Pofallas Ausraster lässt tief in die Psyche der CDU blicken. Die Empörung darüber ist aber fehl am Platze: Die Umgangsformen bei SPD und Grünen sind nicht besser.
Die Umgangsformen in einer Regierung, die sich "bürgerlich" schimpft, hatte man sich irgendwie anders vorgestellt. "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen", soll Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) seinen Parteifreund Wolfgang Bosbach angeherrscht haben, weil dieser sich Merkels Eurokurs verweigerte. Und als Bosbach sich auf seine Gewissensfreiheit und das Grundgesetz berief, blaffte Pofalla nur zurück: "Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe!"
Pofalla hat sich für seinen Ausraster inzwischen bei Bosbach entschuldigt. In der Bild-Zeitung sagte er dazu: "Ich ärgere mich selbst sehr über das, was vorgefallen ist, und es tut mir außerordentlich leid."
Damit könnte man die Angelegenheit getrost abhaken, wie es auch die Parteispitzen der Union gern möchten. Doch der Vorfall lässt tief blicken: Er zeigt, wie groß die Nervosität innerhalb der Union vor der Abstimmung über die Erweiterung des Rettungsschirms am vergangenen Donnerstag tatsächlich war.
Wochenlang hatten Angela Merkel und Peter Altmaier, ihr parlamentarischer Geschäftsführer, ein Pokerface zur Schau getragen und so getan, als hätten sie alles unter Kontrolle. Nun hat dieses Bild des geräuschlosen Machtmanagements, für das Merkel bekannt ist, Risse bekommen. Das System Merkel funktioniert längst nicht so reibungslos, wie es den Anschein hat. Wenn es ums Ganze geht, legt man die Samthandschuhe beiseite.
Hemdsärmelige Sozialdemokraten
Dass sich die Opposition darüber nun empört, ist allerdings fadenscheinig. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Pofalla vor, er sei "offenbar nicht in der Lage, seinen Job angemessen auszuüben". Dabei geht es bei den Sozialdemokraten bekanntlich gern mal etwas hemdsärmeliger zur Sache. Man denke nur daran, wie brachial Gerhard Schröder seine Partei bei der "Agenda 2010" auf seine Linie brachte. Oder wie er nach seiner äußerst knappen Niederlage in der "Elefantenrunde" am Wahlabend 2005 aus der Rolle fiel und Angela Merkel sowie Guido Westerwelle mit betonter Herablassung öffentlich düpierte.
Unvergessen ist auch der verstorbene SPD-Chefstratege Herbert Wehner, der von 1969 bis 1983 als "Zuchtmeister" seiner Fraktion für seine spitze Zunge bei Parteifreunden und -feinden berüchtigt war. Im Bundestag brachte es Wehner auf den Rekord von 58 Ermahnungen durch den Bundestagspräsidenten. Dem Genossen Franz Josef Zebisch, der sich über die früher übliche Sitzverteilung in alphabetischer Reihenfolge beklagt hatte, empfahl er beispielsweise, sich doch einfach in "Genosse Arschloch" umzubenennen.
Auch den Grünen war in ihren Flegeljahren eine drastische Ausdrucksweise nicht fremd. In die Annalen eingegangen ist etwa Joschka Fischers Erwiderung auf einen Ordnungsruf des damaligen Bundestagspräsidenten Richard Stücklen (CDU): "Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch."
Im Vergleich dazu wirkte Ronald Pofalla bislang eher blass. Als CDU-Generalsekretär 2005 bis 2009 stellte er zwar unter Beweis, dass er auch auszuteilen vermag. Doch als Kanzleramtsminister agiert der 52-Jährige seither gewöhnlich im Hintergrund und muss, als Makler von Angela Merkel, zwischen Bund, Ländern, Ministerien und Geheimdiensten vermitteln. Öffentliche Auftritte sind rar, Interviews gibt er selten. Seine Aufgabe ist es, in Streitfällen zu schlichten.
Dass er dabei zuweilen auch Zähne zeigt, verdeutlichte eine Episode aus dem vergangenen Jahr, als er den damaligen Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg (CSU) in einem Streit über die Wehrpflicht als "Rumpelstilzchen" bezeichnet habe.
Joschka Fischer übrigens hat Ronald Pofalla nun verteidigt: In der Leipziger Volkszeitung sagte er, ihm sei "ein deftiges Wort des Zorns immer lieber als eine scheinbar freundlich vorgetragene, süßsaure Hinterhältigkeit". Wer will, kann in diesem Kompliment schon die atmosphärische Vorbereitung einer schwarz-grünen Koalition sehen.
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