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ZWEITE CHANCE FÜR EINEN GESCHEITERTENChopin, Herr Frey!

Überraschend darf Ex-Theater-Intendant Hans-Joachim Frey das Linzer Bruckner-Haus übernehmen. Bei der Kür punktet er mit bösen Berichten über Bremen

Ups! Er hat es wieder geschafft: Hans-Joachim Frey Bild: DPA

Hans-Joachim Frey wird kein Sozialfall. Heute darf sich Bremens ehemaliger Generalintendant in Linz der staunenden Öffentlichkeit Oberösterreichs als künftiger künstlerischer Direktor des Anton Bruckner-Hauses vorstellen. Der Aufsichtsrat der Linzer Veranstaltungsgesellschaft hatte den in Bremen grandios gescheiterten Theatermann und Wiederbeleber des Dresdner Semper-Opernballs Ende September in die Leitung des Konzerthauses berufen.

Überzeugt hatte er fünf Mitglieder einer sechsköpfigen Findungskommission - gegen den auch öffentlich geäußerten Willen des Linzer Vizebürgermeisters und Kulturdezernenten Erich Watzl (ÖVP). Der traute weder dem konzeptionellen Vortrag noch den Auslassungen Freys zum Bremer Finanzdebakel. Die übrigen Kommissionsmitglieder schon, darunter auch der Eventmanager Klaus Pruenster. Laut dem hatte Frey zu dieser Frage "ganz offen Stellung bezogen". Dabei habe er "plausibel dargestellt, dass er nicht alleine verantwortlich, sondern die Politik eine große Rolle gespielt hat", so Pruenster. Zudem sei die Rede davon gewesen, dass Frey bei Amtsantritt in Bremen "viele Schulden hatte übernehmen müssen". Tatsächlich startete das Theater in Freys Intendanz mit einem Minus von 400.000 Euro. Nach zwei Jahren war das allerdings auf 5,8 Millionen gewachsen.

Auch fachlich ist Freys Wechsel nach Linz überraschend: Bislang war er ausschließlich im Opern- und Theaterbereich tätig. Das Bruckner-Haus ist jedoch ein Konzertsaal nebst renommiertem Forschungsinstitut: Anderes wäre auch nur schwer vorstellbar: Der 1824 bei Linz geborene Spätromantiker hat keine Tanzmusik komponiert, litt zeitlebens unter einer in der Klosterschule anerzogenen tiefen Angst vorm Sündenpfuhl der Oper und mied alles, was heute als Event bezeichnet würde - mit Ausnahme katholischer Messfeiern. Wahr ist indes, dass Frey, in einem protestantischen Pfarrer-Haushalt aufgewachsen, bei Premieren-Ansprachen einen pastoralen Ton pflegte. Wie Bruckner werden ihm ein naiver Enthusiasmus und konsequenter Verzicht auf übertriebenen Intellektualismus attestiert. Zum geflügelten Wort wurde hinter den Kulissen des Bremer Theater Freys als Anerkennung gedachter Ausruf: "Chopin!" Sein sollen hätte das die etwas bildungshuberische französische Begeisterungs-Floskel "Chapeau!" - also Hut ab!

Chopin, Herr Frey! muss indes für seine Kür in Linz gelten. Denn dabei war er auf sich allein gestellt: Eine Empfehlung aus Bremen gabs nicht. Und den vor fünf Jahren von hier in die Intendanz des Linzer Kulturhauptstadtjahrs 2009 gewechselten Dramaturg Ulrich Fuchs hatte die Kommission offenbar auch nicht konsultiert. Er habe Frey nur in dessen Zeit als Disponent am Bremer Theater kennengelernt, sagte Fuchs den Oberösterreicher Nachrichten. In dieser Phase sei er jedoch "unauffällig" geblieben. Im Übrigen heiße es über ihn, "dass er vollmundig ist und sehr viel verspricht". Tatsächlich war er in Bremen mit der Ankündigung Intendant geworden, die haushalterisch schwierige Situation sei eine "schöne Herausforderung". In Linz beeindruckte er mit der Ansage, die Konkurrenz durchs neu eröffnende Musiktheater "als große Chance" zu begreifen. Und mit dem Versprechen das Programm des Konzerthauses "in der Breite zu öffnen, auch was das Repertoire angeht", so Pruenster. Klarere inhaltliche Festlegungen habe es nicht gegeben: Freys erste Spielzeit beginnt 2013. "Wir sind einfach gespannt, was er vorhat."

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