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Je jünger, desto mehr Drogen

Methadon Der Berliner Toxikologe Fritz Pragst erklärte am Freitag, was er in den Haaren von Kindern von Drogenabhängigen gefunden hat - und was das bedeutet

Analysiert Haare: der Toxikologe Fritz Pragst. Bild: dpa

Sollen Haaranalysen auf Drogenrückstände routinemäßig bei besonders gefährdeten Kindern durchgeführt werden? Eine Antwort auf diese Frage der Sozialsenatorin Anja Stahmann gab am Freitagabend der Berliner Toxikologe Fritz Pragst. Dieser hatte - bundesweit einmalig - in diesem Jahr im Auftrag der Sozialbehörde die Haare von insgesamt 88 Kindern zwischen 1 und 12 Jahren auf Rückstände von Methadon und illegalen Drogen untersucht. "Ja", sagte der Rechtsmediziner an der Berliner Charité, er halte ein solches Screening für sinnvoll. Gleichzeitig machte er aber in seinem Vortrag vor Fachleuten und PolitikerInnen mehrfach deutlich, dass die chemische Analyse nicht alleine betrachtet werden dürfe, wenn darüber entschieden werden muss, ob ein Kind aus seiner Familie herausgenommen werden soll. Nicht zuletzt wegen der eingeschränkten Aussagefähigkeit der Analyse. Denn: Nur in wenigen Fällen könne sicher gesagt werden, wie eine Droge ins Kinderhaar gelangt sei.

Als Beispiel nannte Pragst eine Familie, wo beide Eltern den Ersatzstoff Methadon vom Arzt bekommen. Bei einer ersten Probe im März hatte der Toxikologe hohe Konzentrationen von Methadon im Haar der Kinder gefunden. Weil die SozialarbeiterInnen offenbar starke Zweifel daran hatten, dass ausgerechnet diese Eltern ihre Kinder mit der Ersatzdroge vergifteten, wurde die Untersuchung jetzt, ein halbes Jahr später, wiederholt.

Die Ergebnisse waren so ähnlich, dass der Chemiker davon ausgeht, dass das Methadon von den Eltern übertragen wurde - in diesem Fall wahrscheinlich über Hautkontakt zur Mutter. Dafür spräche auch, dass das zweijährige Kind eine viel höhere Dosis abbekommen hatte als sein fünfjähriges Geschwister: Kleinkinder hätten mehr Körperkontakt mit ihren Eltern als ältere Kinder. "Es ist bekannt, dass Methadon zu heftigem Schwitzen führt", sagte Pragst. So ließe sich auch möglicherweise erklären, warum in seiner Studie die jüngsten Kinder - die Ein- bis Dreijährigen - die höchsten Konzentrationen an Drogenrückständen hatten, häufig in einem ähnlichen Muster wie ihre Eltern.

Der am Freitag anwesende Vorsitzende des Verbands Bremer Kinderärzte, Stefan Trapp, bezweifelte diese Theorie. "Die Belastung durch schreiende Säuglinge und Kleinkinder ist hoch", sagte der Mediziner, für Drogenabhängige sei dies kaum auszuhalten. Er glaube daher weiter, dass die Kinder mit Methadon "ruhiggestellt" wurden. "Da ist die Hemmschwelle niedriger als bei Heroin und Kokain." Er sei "erschüttert", wie viele Kinder betroffen sind.

Von den 88 untersuchten Kindern fanden sich nur in 19 Fällen gar keine Drogenrückstände. Bei 18 Kindern wurde Methadon gefunden, bei zwölf von ihnen weitere Drogen. Als "kritisch" bewertete Pragst insgesamt 23 Fälle, in diesen seien die Konzentrationen von Drogen sehr hoch gewesen. Das bedeute allerdings nicht, dass eine Gefährdung der anderen Kinder ausgeschlossen werden könne.

Vergleichsweise wenig Drogen haben die älteren Kinder abbekommen. Am Freitag hatte Pragst erstmals die Ergebnisse der Untersuchung der Sieben- bis Zwölfjährigen vorgestellt. Drei von 14 Proben seien ohne Befund gewesen, zehn hätten geringe Rückstände gezeigt. In einem Fall sei die Belastung sehr hoch gewesen, das Kind sei aber schon vor dem Vorliegen der Ergebnisse aus der Familie genommen worden, wie eine Mitarbeiterin der Sozialbehörde sagte.

Für die Leiterin der Landesjugendbehörde, Heidemarie Rose, zeigen Pragst jüngste Daten, dass es in den Familien mit älteren Kindern "gut laufen" würde. "Da ist nicht alles wunderbar, aber es ist relativ stabil, sonst wären sie nicht so weit zusammen gekommen", sagte Rose. Der Staatsrat für Soziales, Horst Frehe, sagte, es ginge stets um die Frage, was dem Kindeswohl mehr schade: Eltern, die Drogen nehmen, oder die Herausnahme aus der Familie: "Das ist immer ein Trauma." Von der Vorstellung, Methadon-Substituierte könnten auf andere Drogen verzichten, müsse man sich verabschieden, so Frehe. "Es geht darum, den Beigebrauch zu verringern."

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