Disco Dance Meisterschaften: Mädchentraum aus Glitzer und Lycra

Bei der deutschen Meisterschaft im Disco Dance geht es um schnelle Beats, wilde Sprünge und Kitschkostüme.

So viel Glitzer ist selten am Waldrand von Kleinmachnow: In der Turnhalle der englischsprachigen Berlin Brandenburg International School wird sonst American Football oder Leichtathletik unterrichtet. Doch nun verwandeln sich Halle und Parkplatz der Privatschule in ein Massendisco-Inferno mit Preisgericht - für die 12. Deutsche Meisterschaft im Disco Dance. 600 TeilnehmerInnen aus 22 Städten sind angereist, um zwei Tage lang Wettkämpfe in Solo, Duo, Gruppe und Formation auszutragen. Am Ende werden 11 GewinnerInnen zur Weltmeisterschaft 2012 nach Südafrika fahren.

Am Sonntagvormittag ist es in der Halle vor allem laut. Ohrenbetäubende Discobeats stampfen aus den Boxen, Hunderte in Glitzer-und Lycrakostüme gewandete Kinder und Teenies wuseln durch die Halle, applizieren Schminke, dehnen sich oder feuern mit lautem Klatschen die Tanzenden an. In der Hallenmitte finden gerade parallel die Solowettbewerbe der Girls-Junioren in den Kategorien "New Star" (Anfänger) und "Rising Star" (Fortgeschrittene) statt: Eine große Schlanke im türkisfarbenen Overall tanzt links, eine kleinere im blauen Glitzerkleid rechts. Sie lassen die Arme kreisen, biegen den Rücken durch, springen in den Spagat, in atemberaubendem Tempo, minutenlang. Dann Schlusspose, Abgang, die Nächsten.

"Gut gemacht und sauber gesprungen", freut sich Ralf Dignath auf der Tribüne. Er kennt sich aus im Disco Dance: Das Mädchen in Türkis ist seine Tochter Pia. Die Elfjährige tanzt seit ihrem vierten Lebensjahr, es ist ihre vierte Meisterschaft, die sie mit ihrem Tanzverein "TTC Casino Blau-Gelb Essen" bestreitet, und ihr zweiter Solowettbewerb. Ihr Vater ist mit Pias Mutter und seiner Lebensgefährtin angereist. Schon den zweiten Tag bringen die Essener auf der Tribüne zu, klatschen, sorgen für Getränke und Waffeln und harren der Endauswertung. Die laute Musik macht ihnen nichts aus. "Ich hör das schon gar nicht mehr", sagt Kerstin Lehmann, deren Tochter ebenfalls Pia heißt und im selben Tanzverein ist. Lehmann ist nicht nur mitreisender Fan wie die meisten Eltern, sondern hat sogar selbst mitgetanzt. Am Samstag, bei den Senioren. "Meine Tochter hat mich mit ihrer Begeisterung angesteckt", lacht sie. Nicht allen Erwachsenen ist die Euphorie ins Gesicht geschrieben. Viele sehen müde aus, starren apathisch nach vorn, wo gerade das dritte Mädchen-Solo-Doppel hüpft.

DiscoDancing ist optisch eine Mischung aus Ballett, rhythmischer Sportgymnastik und den Tänzen, die man aus Popmusikvideos kennt. Die Kostüme schwanken zwischen Aerobic, 80er Jahre und Zirkus. Die Augen der Mädchen ziert karnevaleske Glitzerbemalung, auf Köpfen und Schultern wackeln Federpuscheln. Die engen Kleidchen und Catsuits leuchten in Neon, Netz und Silberpailletten. Ein echter Mädchentraum, nur acht Teilnehmer sind Jungs. Das Discofieber befällt schon die Kleinsten, die ab 6 Jahren antreten dürfen. Zwei Mütter von "Tanzzwergen" klagen über Nächte, die erfüllt sind von rhythmischen Zuckungen und Angstträumen. "Meine hat noch im Schlaf ihr Lied gesummt", stöhnt eine und flüstert: "Gut, dass es bald vorbei ist".

Für Pia ist nur das Solo vorbei, am Nachmittag wird sie noch einmal mit ihrer Gruppe antreten. Den zweiten Platz hat die Elfjährige gewonnen, dafür hat sie in den letzten Wochen bis zu viermal die Woche trainiert. Drei Turniere im Jahr bestreitet sie, ihre Tanzschule kümmert sich um Entschuldigungen für die Schule, Kostüme und Sponsoren.

"Das hier ist Amateursport auf höchstem Niveau", sagt Sven Seeger vom veranstaltenden Potsdamer Tanzverein "die Linksfüßer". Der 35-jährige Organisator tritt auch selbst an. "Eigentlich tanze ich HipHop, aber Disco Dance ist eine ganz eigene Herausforderung." Schneller und akrobatischer als beim HipHop gehe es zu, bei mehr als 140 Beats pro Minute brauche man viel Kondition. Disco Dance, geboren aus der Disco-Ära der späten 70er, ist seit 14 Jahren eine eigene Disziplin. Die deutschen Hochburgen liegen in Garbsen bei Hannover und in Bochum.

Florian Hebibi aus Fürstenwalde ist einer der wenigen Jungen in der Halle. Über eine Freundin kam der 15-Jährige zum Disco Dance, die Akrobatik liege ihm mehr als der kraftmeiernde HipHop-Stil, sagt er. Bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in Bochum wurde er 12. Sein weißes Hemd mit Westernfransen und roten Pailletten hat ihm seine Mutter genäht. Sein Solo beginnt mit ohrenbetäubendem Krach, die Elektroversion eines brasilianischen Dance-Hits. Florians Fransen fliegen, gekonnt springt er in den Spagat, die Mädels kreischen. Am Hallenrand sieht ihm eine etwa Dreijährige zu. Ihr Mund steht offen, die Füße stampfen im Takt: Auch sie ist infiziert vom Discofieber.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.