Wahlabsprache in Frankreich: Grundsätze für ein paar Sitze verkauft
Grüne und Sozialisten in Frankreich haben sich auf eine Wahlabsprache geeinigt. Die Einigung kam schnell – die echten Streitpunkte wurden einfach ausgeklammert.
PARIS taz | Die Sozialisten (PS) und die Grünen (Europe Ecologie - Les Verts) in Frankreich haben sich auf die Grundlage einer Zusammenarbeit geeinigt. Das Übereinkommen ist kein Koalitionsvertrag, sondern eine Wahlabsprache. Diese soll es EELV ermöglichen, zwischen 15 und 30 Abgeordnetensitze zu erringen. Dafür unterstützen die Grünen den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande.
Noch zu Wochenbeginn hatte die Grünen-Präsidentschaftskandidatin Eva Joly eine maximalistische Position vertreten. Entweder Hollande und seine Sozialisten stimmen einem Ausstieg aus der Atomenergie und einem Baustopp des EPR (European Pressurized Water Reactor) von Flamanville zu oder es gebe kein Abkommen für die Wahlen.
Überraschend schnell erfolgte jetzt die Einigung. Die wesentlichen Streitpunkte - die Weiterentwicklung des EPR oder auch der umstrittene neue Flugplatz von Nantes - wurden dazu ganz einfach aus der gemeinsamen Plattform ausgeklammert.
Immerhin sind sich die grün-roten Partner einig, die 24 ältesten Reaktoren Frankreichs abzustellen, was die EELV-Führung als wesentlichen Fortschritt verkaufen kann. Perplex war man aber bei den Grünen, als sie feststellten, dass aus der an die Journalisten verteilten Version der Sozialisten ein anderer vereinbarter Punkt einseitig gestrichen worden war: die Forderung, die MOX-Kernbrennstoff-Industrie durch andere Aktivitäten zu ersetzen. Offenbar war sich die PS-Spitze erst im Nachhinein bewusst geworden, dass ein solcher Punkt als Kriegserklärung gegen den Atomkonzern Areva empfunden würde.
Streit gibt es wegen dieser Absprache auch unter Sozialisten. Sie sollen in rund 65 Wahlkreisen grünen Kandidaten den Vortritt lassen. Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë ist überhaupt nicht erbaut darüber, dass er der EELV-Chefin Duflot einen seiner besten Wahlkreise überlassen soll.
Ebenso sauer ist sein Kollege Gérard Collomb, bei dem ebenfalls ein Grüner aussichtsreich platziert wird. Unzufrieden mit dem Deal ist aber auch Dany Cohn-Bendit, der warnt: " Bei diesem Stand der Verhandlungen kann es keine Regierungsbeteiligung von EELV geben."
Leser*innenkommentare
Ulli Müller
Gast
Das Mehrheitswahlsystem verlangt halt schon vor der Wahl die Koalition einzugehen, da weiß der/die WählerIn wo es lang geht.
Entweder man einigt sich oder geht wie all die Jahre mit wehenden Fahnen unter.
Letztendlich geht es auch darum den Kriegspräsidenten und CIA-Günzling in Frankreich abzuwählen, das ist für ein soziales, demokratisches, friedliches Europa auch wichtig!