Zehn Jahre Riester-Rente: Am besten 90 werden

Ein Gutachten zeigt, dass sich die Riester-Rente vor allem bei einem langem Leben lohnt. Die Vertragsbedingungen haben sich in den letzten zehn Jahren verschlechtert.

Wer alt wird, kann sich auch über die Riesterrente freuen. Bild: cydonna / photocase.com

BERLIN taz | Über die Riester-Rente ist ein neuer Streit entbrannt. Während ein Gutachten die schwindenden Erträge der staatlich geförderten Altersvorsorge beklagt, warnen Verbraucherschützer davor, bereits bestehende Riester-Verträge zu kündigen. "Wer eine zusätzliche Altersvorsorge möchte mit regelmäßigen monatlichen Zahlungen, für den ist eine Riester-Rente immer noch das Beste" sagte der Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest, Hermann-Josef Tenhagen, der taz.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ließen von dem Versicherungsmathematiker und Chef des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, einzelne Fälle durchrechnen, um den Ertrag der Riester-Rente zu quantifizieren. "Bei fast allen Konstellationen lohnt sich ein Riester-Vertrag nur, wenn die Person über 85 Jahre alt wird", sagte Kleinlein der taz. Das Gutachten wird erst am Mittwoch vorgelegt, einzelne Aufstellungen liegen jedoch schon vor.

Nach einer Rechnung, die der Spiegel veröffentlichte, müsste eine 35-jährige Frau mit zwei Kindern, die in diesem Jahr einen Riester-Vertrag neu abschließt, mindestens 85 Jahre alt werden, damit sie die gezahlten Beiträge später inklusive 2,5 Prozent Zinsen in Form der monatlichen Zusatzrente wieder herausbekommt. Tenhagen wies jedoch darauf hin, dass in dieser Aufstellung die gezahlten Monatsbeiträge inklusive der gewährten staatlichen Zuschüsse berechnet wurden. Wenn man nur die von der Frau selbst aufgewendeten Beiträge betrachte, reiche eine kürzere Lebenszeit, damit sich der Riester-Vertrag für sie lohne.

BERLIN taz | Selbstständige können nicht "riestern". Es sei denn, sie zahlen Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein - so wie freischaffende JournalistInnen, die Mitglied in der Künstlersozialversicherung (KSK) sind.

Die KSK übernimmt bei den FreiberuflerInnen jenen Anteil der sozialversicherungspflichtigen Leistungen, die bei Festangestellten vom Arbeitgeber gezahlt werden: Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung.

Klingt einfach, ist aber kompliziert. Im Gegensatz zu festangestellten KollegInnen, die in der Regel über ein unverändertes Einkommen verfügen, stagnieren die Einkünfte der Freiberufler. Das hat zur Folge, dass viele von ihnen häufig nicht wissen, ob sie in einem Jahr tatsächlich genug eingezahlt haben, um die vollen staatlichen Zulagen zu bekommen.

Freie müssen nämlich schätzen, wie viel sie im kommen- den Jahr verdienen werden. Auf dieser Grundlage werden die Riester-Monatsbeiträge festgelegt. Verdienen die Betroffenen weniger als geschätzt, gibt es kein Problem: Sie bekommen die Zulagen in voller Höhe. Verdienen sie aber mehr und haben damit zu wenig Riester-Bei- träge gezahlt, bekommen sie nur anteilmäßig die staatlichen Zuschüsse. Das Presseversorgungswerk (PVW), wo viele Freibe- rufler "riestern", wiegelt ab: Das ist nicht schlimm, man kann "aufstocken". Aber das ist ein Problem: "Aufstocken" kann man nur im laufenden Jahr und nicht rückwirkend. Also bleibt den Betroffenen doch wieder nur, im Dezember den Jahresverdienst zu überschlagen, zu rechnen und dann "aufzustocken".

Viele Betroffene seien damit überfordert, sagt Dirk Steinmetz, Finanzberater beim "Fairsicherungsbüro" in Berlin: "An dieser Stelle ist die Riester-Versicherung nicht ausreichend transparent." SIMONE SCHMOLLACK

Unbestritten ist allerdings, dass sich die Bedingungen für die Riester-Verträge in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert haben. "Das liegt zum Teil an den neuen Sterbetafeln mit höherer Lebenserwartung", erklärt Kleinlein. Daraufhin haben die Unternehmen die monatlichen Rentenbezüge heruntergesetzt.

Schlechtere Bedingungen durch "Unisex-Tarife"

Die Versicherer gehen zudem davon aus, dass die Riester-Klienten ein besonders langes Leben haben. "Menschen, die von einer kürzeren Lebenserwartung ausgehen, werden aus guten Gründen keinen Riester-Vertrag abschließen. Dies führt zu einem Selbstselektionseffekt im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Diesen Effekt müssen die Versicherungsunternehmen in ihrer Kalkulation berücksichtigen", sagte der Wirtschaftsberater Bert Rürup der taz. Hinzu kommen verschlechterte Bedingungen für Männer aufgrund der "Unisex-Tarife" und die Absenkung des gesetzlich festgelegten Garantiezinses. All dies reduziert die zu erwartenden monatlichen Rentenbezüge.

Kleinlein machte die Rechnung eines 35-jährigen Mannes auf, der bei Abschluss eines Riester-Vertrages im Jahre 2001 eine spätere monatliche Garantierente von 329 Euro zu erwarten hätte. Bei einem Abschluss in diesem Jahr mit den neuen Rahmenbedingungen kann er nur noch mit 187 Euro rechnen.

Die oft gerügten hohen Abschluss- und Verwaltungskosten bei den Riester-Verträgen haben sich in den vergangenen zehn Jahren allerdings nicht stark verändert, stellte Kleinlein fest. In Deutschland gibt es fast 15 Millionen Riester-Verträge. Zu den monatlichen Beiträgen gewährt der Staat Zulagen, die etwa für einen Alleinstehenden 154 Euro betragen. Wer später nur eine Minirente unterhalb der Grundsicherung im Alter bezieht, für den lohnt sich das "Riestern" aber nicht, da die Riester-Rente später auf die Grundsicherung angerechnet wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.