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Gleiche Pflichten, weniger Geld

KINDERLÄDEN Bremer Elternvereine fordern 1,5 Millionen pro Jahr mehr für ihre Kindergruppen. Das Sozialressort will mehr zuschießen, aber nicht in der Höhe

Wie andere Eltern hilft Katja Roos im Kinderladen mit. Bild: jpb

Richtig laut musste Jens Böhrnsen werden, als er am Dienstag in der Empfangshalle des Rathauses stand. Nicht aus Ärger, sondern weil zu seinen Füßen 20 Kleinkinder herumsprangen. Der Verbund der Bremer Elternvereine hatte kurzfristig mobilisiert, fünf Kindergruppen waren eingetrudelt, um Bremens Bürgermeister einen offenen Brief zu überreichen: Darin fordert der Dachverband von 120 Kleinkind- und Kindergruppen 1,5 Millionen Euro pro Jahr mehr an Zuschüssen - für die nächsten zwei Jahre, danach sollen es noch mehr werden.

"So viel wird es sicher nicht", sagte gestern Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. Eine Erhöhung der Zuschüsse für die privaten Kindergruppen aber solle es geben. "Die Elternvereine werden gebraucht, das wollen wir auch finanziell ausdrücken", so Schneider. In welcher Höhe sagte er allerdings nicht.

Im Vergleich mit den staatlichen und kirchlichen Trägern fehlten einer privaten Krippengruppe mit acht Kindern etwa 4.000 Euro im Monat, rechnete Gabi Helms, die Leiterin des Verbunds Bremer Kindergruppen, dem Bürgermeister vor. Der bekräftigte aber nur, was auch im rot-grünen Koalitionsvertrag steht, also die Elternvereine "in Zukunft noch besser bei organisatorischen Tätigkeiten zu unterstützen". Über mehr Geld, ja, darüber müsse man reden, sagte Böhrnsen, bedankte sich für die selbst gebackenen Kekse und ging wieder.

Auch Katja Roos war mit ihrer Tochter Lena und acht weiteren kleinen "Stadtteilstrolchen" in einem Bollerwagen aus dem Fesenfeld zum Rathaus spaziert. Die Zahnärztin musste als Aushilfe einspringen, weil gestern sonst zu wenig BetreuerInnen in der Gruppe gewesen wären. Wie in allen Kindergruppen fallen auch bei den Stadtteilstrolchen diese "Elterndienste" regelmäßig an, manchmal sehr kurzfristig, wenn eine Erzieherin krank ist. Roos muss in solchen Fällen Termine von Patienten verlegen. Am Wochenende putzt sie im Wechsel mit den anderen Eltern die Krippenräume. Oft müssen die Eltern das Mittagessen kochen. Und das alles neben der Lohnarbeit, denn Voraussetzung für einen Krippenplatz ist, dass beide Eltern berufstätig sind.

Bei den Stadtteilstolchen kümmern sich drei Eltern ehrenamtlich um die Abrechnungen und die Verwaltung. "Etwa 20 Stunden braucht man dafür pro Woche", sagte Monika Schucht, die seit 21 Jahren in der Kindergruppe als Erzieherin arbeitet.

Vor allem im Viertel und in der Neustadt gründeten Eltern Mitte der 80er solche Kinderläden, weil es andere Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder nicht gab. Auch heute macht nur das ehrenamtliche Engagement der Eltern die Kleinkindgruppen möglich. Doch das, sagt die Verbund-Geschäftsführerin Gabi Helms, sei ungerecht: "Der Zuschuss muss angeglichen werden." Denn ab 2013 besteht ein Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Und um den Bedarf dafür abzudecken, setzt die Stadt auch stark auf die Elternvereine. Diese stellen ein Drittel aller Plätze für die unter Dreijährigen in Bremen, derzeit für 870 Kleinkinder. Insgesamt sind 2.800 Kinder bis ins Alter von 10 Jahren in 219 privaten Gruppen.

Bis heute bekommen die jedoch gegenüber staatlichen Einrichtungen nur etwa 60 Prozent des Zuschusses, kritisiert Helms. Das müssen die Eltern auffangen und es mache sich auch bei den Gehältern der ErzieherInnen bemerkbar. Selten verdienen sie den Tariflohn ihrer staatlichen KollegInnen. "Elternvereine haben dadurch große Schwierigkeiten, ihr Fachpersonal zu halten", so Helms. Auch der Elternbeitrag ist höher. Katja Roos bezahlt 280 Euro, für einen Kinderladen ist das der Durchschnitt. Bei staatlichen Kinderkrippen aber hängt der Satz vom Einkommen ab, 250 Euro zahlen in Bremen nur die Reichen.

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