piwik no script img

Archiv-Artikel

DORIS AKRAPLEUCHTEN DER MENSCHHEIT Die Nuller und die Zehner

Was wird das politische Buch der Zehnerjahre? Handbuch der Autoabfackler? Kritik der repressiven Klimaretter? Was geht? Zur Kritik der politischen Twitterei? Pakistan – Genese eines Konflikts? Im Jahr 2000 war es „Empire“ von Toni Negri und Michael Hardt, das die Nullerjahre aufstandstheoretisch einleitete. Für die Zehnerjahre hat das gleiche Autorenteam erneut den Prolog geschrieben: Im Frühjahr erscheint „Commonwealth“, das dritte gemeinsame Werk, das das „governing the revolution“ theoretisch vorbereiten soll.

Doch ob „Commonwealth“ nochmal begeistern kann? Hart gesagt, gab es nur einen kurzen Sommer der Multitude. Und das war der von 2001, während des G-8-Gipfels in Genua. Die Antiglobalisierungsbewegung, damals der Hoffnungsträger emanzipatorischer Proteste, versandete mit dem 11. September, der islamistische Attentäter wurde das politische Subjekt und Objekt der Nullerjahre.

Was also zum politischen Bestseller wird, hängt davon ab, wer es schafft, in den Zehnerjahren politisch auf sich aufmerksam zu machen. Und wenn schon historische Analogie, dann richtig und also folgende gewagte Prognose: Im Jahre 1999 wurde in Seattle der Globalisierungsgegner für alle Welt sichtbar. Zehn Jahre später, im Jahre 2009, wurde in Teheran die iranische Gesellschaft sichtbar, vor allem der Teil, der die Angst vor den Waffen des theokratischen Regimes verloren hat. In den letzten Tagen der Nullerjahre hat sie deutlich gemacht, dass sie nicht nur als kurzer Sommer der grünen Bewegung Geschichte machen will. Sollten die Iraner die Theokratie wirklich stürzen, dürfte dies einigen Wirbel in anderen islamischen Ländern auslösen. Das Buch, das diese politischen Entwicklungen begleitet, wird dann geschrieben werden müssen. Aber es gibt schon etliche Werke, die schleunigst ins Deutsche, Persische oder Arabische übersetzt werden sollten, nur eines sei hier genannt: Pardis Mahdavi: „Passionate Uprisings. Iran’s Sexual Revolution“.

Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat