Polen vor der Europameisterschaft: Fußballverband versinkt in Korruption

Hohe Fußballfunktionäre stehen in Polen erneut unter dringendem Korruptionsverdacht. Die Sportministerin will den Sumpf nun trockenlegen. Bis jetzt gab es ein Bauernopfer.

Bester Laune: Polens Fußballlegende Grzegorz Lato Bild: dpa

WARSCHAU taz | "Mucha nie siada" sagt man auf Polnisch bewundernd, wenn etwas so sauber ist, dass sich eine Fliege (Mucha) dort nicht hinsetzen würde. Der polnische Fußballverband PZPN ist seit Jahrzehnten alles andere als sauber, und so verwundert es nicht, dass Polens neue Sportministerin Joanna Mucha genau diese muffige Organisation zum Ziel ihrer ersten größeren Amtshandlung gemacht hat.

Der Regierung, so ließ Mucha vor einigen Tagen verlauten, seien mit versteckter Kamera gemachte Aufnahmen "ernst zu nehmenden und überraschenden Inhalts" zugespielt worden. Zu hören und zu sehen seien mehrere Vorstandsmitglieder des PZPN - darunter Verbandspräsident Grzegorz Lato und Generalsekretär Zdislaw Krecina - bei intensiven Diskussionen über Preisabsprachen und Provisionen im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Verbandszentrale in Warschau.

"Es wäre wünschenswert", so setzte Frau Mucha schneidig hinzu, "wenn alle dort zu erkennenden Personen zeitnah von ihren Ämtern zurückträten", doch glaube sie selbst nicht, dass das passieren wird.

Für die Führungsspitze des PZPN sind diese Enthüllungen just vor der mit großer internationaler Aufmerksamkeit verbundenen EM-Gruppenauslosung am Freitag in Kiew der Tiefpunkt eines fatalen Novembers: zuerst das Debakel um die Vorstellung des neuen EM-Trikots der Nationalelf, bei dem man in einem Anfall bodenloser Instinktlosigkeit den polnischen weißen Adler durch das neue Verbandslogo ersetzte und damit einen Sturm nationaler Entrüstung entfachte.

Darauf folgte das Eingeständnis, dass das neue Nationalstadion in Warschau, das bereits im September fertiggestellt sein sollte, auch zum nächsten gesetzten Termin im November nicht fertig wird. Und nun eine neue Korruptionsaffäre.

Makelloses Englisch und den blauen Karategürtel als Qualifikation

Am Mittwoch wurde auf einer Dringlichkeitssitzung des Vorstands beschlossen, den langjährigen Generalsekretär Krecina von seinen Ämtern zu entbinden. Beobachter sind sich einig, dass hier ein Bauernopfer gebracht wurde, um Präsident Lato etwas Luft zu verschaffen. Doch die Regierung lässt sich davon nicht beeindrucken.

Einer peinlichen Befragung durch die Sportkommission des polnischen Parlaments an diesem Donnerstag wollte Lato durch den Verweis auf seinen Flug zur EM-Auslosung nach Kiew entgehen. Daraufhin wurde die Kommissionssitzung kurzerhand von zehn Uhr auf acht Uhr vorverlegt. Lato übte sich vor den Abgeordneten in Beschwichtigungsversuchen und versicherte, dass der Verband dabei sei, alle zweifelhaften Dinge aufzuklären. Sprachs, und verschwand in Richtung Ukraine.

Als der wiedergewählte Premierminister Donald Tusk im Rahmen seiner Regierungsbildung die völlig fachfremde Lubliner Gesundheitspolitikerin Joanna Mucha als Ministerin für Sport und Touristik vorstellte, war die Überraschung groß. Tusk nannte als ihre wichtigsten Qualifikationen ein makelloses Englisch und den blauen Gürtel in Karate. Doch mittlerweile erkennt man die Strategie dahinter: Der Plan der Regierung scheint zu sein, den unreformierbaren PZPN bis zur EM unter ihre Kuratel zu nehmen.

Dafür braucht es Leute, die bislang nicht in die Machenschaften des polnischen Sportwesens involviert waren. Doch es braucht noch etwas: ein zumindest stillschweigendes Einvernehmen mit der Uefa, die auf politische Einflussnahme auf die Verbände sehr sensibel reagiert. So ist für den polnischen Fußball das Gespräch, das die Ministerin am Rande der Auslosung in Kiew mit Uefa-Präsident Platini führen wird, mindestens so wichtig wie die Auslosung selbst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.