: „Mein Blut ist nicht roter“
IRAN Oppositionsführer Mussawi erklärt sich zum Märtyrertod bereit und betont zugleich die Verfassungstreue seiner Bewegung. Flucht aus Teheran dementiert. Neue Proteste
OPPOSITIONSFÜHRER MUSSAWI
TEHERAN afp/dpa | Im Iran spitzt sich der Machtkampf zwischen Regierung und Opposition immer weiter zu. Oppositionsführer Mir-Hossein Mussawi erklärte gestern auf seiner Internetseite kaleme.org, er sei zum „Märtyrertod“ bereit. Die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad müsse ihre Repressionen beenden, forderte Mussawi in seiner ersten Erklärung seit den blutigen Zusammenstößen zwischen Regierungskritikern und Sicherheitskräften am letzten Sonntag.
„Ich lehne die Idee nicht ab, ein Märtyrer zu werden, wie jene, die dieses Opfer nach der Wahl erbracht haben, um ihre nationalen und religiösen Forderungen durchzusetzen“, schrieb der frühere iranische Regierungschef. In einer Anspielung auf die acht Toten der Proteste vom Sonntag, unter ihnen auch ein Neffe Mussawis, hieß es weiter: „Mein Blut ist nicht roter als ihres.“ Mussawi erklärte weiter, mit den Repressionen erreiche die iranische Führung nichts. Die Regierung müsse „ihre Verantwortung für die Probleme übernehmen, die sie im Land geschaffen hat“. Sie müsse die politischen Gefangenen freilassen und das Recht des Volks, sich zu versammeln, anerkennen. Wenn die iranische Führung nicht eingestehe, „dass es im Land eine schwere Krise gibt“, könne sie die bestehenden Probleme auch nicht bewältigen. Befehle, die Oppositionsführer hinzurichten oder einzusperren, würden nichts lösen. Gegen den Vorwurf der Subversion betonte Mussawi die „islamische und nationale Identität“ der Oppositionsbewegung. „Wir sind verfassungstreu“, schrieb er.
Unklar war weiterhin der Aufenthaltsort Mussawis sowie seines Mitstreiters Mehdi Karubi. Die amtliche Nachrichtenagentur Irna hatte am Mittwoch gemeldet, beide seien aus Teheran nach Norden geflohen. Die Opposition dementierte dies: Mussawi habe sein Domizil in der Hauptstadt „zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen Tagen“ verlassen, hieß es. Die Oppositionswebsite Rahesabs berichtete von neuen Zusammenstößen zwischen Oppositionsanhängern und der Polizei am Donnerstag auf den Hauptstadtplätzen Haft-i-Tir und Wali-Asr. Laut Zeugen hätten die Sicherheitskräfte Tränengas und Schlagstöcke eingesetzt, um die Menschen an einer Versammlung zu hindern. Ein afp-Journalist, der mehrmals am Nachmittag in die Innenstadt fuhr, wo zahlreiche Sicherheitskräfte im Einsatz waren, konnte dies aber nicht bestätigen.
Auf einem Friedhof im Süden Teherans hatten sich zuvor hunderte Menschen am Grab des getöteten Mussawi-Neffen Ali Mussawi versammelt. Polizeihubschrauber beobachteten das Geschehen aus der Luft. Ali Mussawi war zusammen mit sieben weiteren Demonstranten am 27. Dezember bei Ausschreitungen zwischen Polizei und Anhängern der Reformbewegung getötet worden. Seine Leiche war zunächst von Sicherheitskräften entführt, dann unter strengen Auflagen zurückgegeben und am vergangenen Mittwoch beerdigt worden. Auf dem Friedhof soll es zu sporadischen Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Trauernden gekommen sein.