piwik no script img

Schauspielerin Silke BodenbenderSie kann gut schweigen

Silke Bodenbender ist derzeit oft im Fernsehen zu sehen, so auch am Montag in einer Komödie im ZDF. Dabei möchte sie viele Rollen gar nicht spielen.

Sie wollte nie ins Fersehen. Zu Hause gab es nicht mal einen: Silke Bodenbender. Bild: imago

Silke Bodenbender könnte es sich ganz schön einfach machen. Sie könnte all die Rollen spielen, die ihr angeboten werden. Sie könnte die starke und doch verletzliche Blondine geben, "die bodenständige Kämpferin, die sich selbst aus ihrem Leid herausziehen muss", wie sie es beschreibt.

Sie hat diese Rolle schon großartig gespielt und sie würde sie wieder großartig spielen. Sie würde gefeiert werden im Feuilleton und auf Partys. Sie wäre eine Marke: Das ist doch die, die immer … Nein, die ist sie eben gerade nicht.

Im Dezember und Januar sind trotzdem oder vielleicht gerade deshalb kleine Bodenbender-Festspielwochen im Fernsehen, mit drei völlig unterschiedlichen Filmen:

Der Mysterythriller "Die Stunde des Wolfes" lief vor zehn Tagen auf Arte, am 19.12. kommt die Komödie "Weihnachtsengel küsst man nicht" im ZDF, das am 2. Januar auch den Film "Die Löwin" zeigt, für den die Schauspielerin in Südafrika gedreht hat. Bis auf reichlich Getier - Wölfe, Rentiere, Löwen - haben diese Filme nur die Hauptdarstellerin gemein. Und ihre Art zu spielen.

Es ist dieses zarte, ruhige und doch leidenschaftliche, ein wenig herbe Spiel. Dieses Understatement, das auch im Gespräch mit Silke Bodenbender in einem Café in Berlin-Schöneberg durchkommt. Ein unaufgeregter Ernst gemischt mit Lakonie. Nie würde die 37-Jährige eine Rolle überzeichnen, nie etwas überspielen.

Dafür kommt die Figur zu sehr aus dem Innern. Wahrhaftig muss es sich anfühlen. Nie ist da Pathos, nie Kitsch. Alle Brüche des Charakters kann die Schauspielerin im Gesicht ablesbar machen. Die Stimme erhebt sie nie, auch wenn sie laut wird.

Sie passt in kein Schema

Grund genug, hinzusehen, auch für alle, die normalerweise Filme meiden würden, die Weihnachtsengel und Küssen in einem Titel vereinen. Oder Mysterythriller, die im Erzgebirge spielen und von einer psychisch Kranken handeln, die aus der Klinik ausbricht, um die dunkle Familiengeschichte ihres Mannes aufzudecken.

"Das sind beides Filme, bei denen einige vielleicht denken werden: Was hat sie denn jetzt gemacht. Weil es nicht in das Schema passt, was Leute von mir erwarten. Aber das war genau gewollt", sagt Silke Bodenbender.

Sie wollte so gerne mal mit Regisseur Matthias Glasner arbeiten, deshalb sagte sie für "Die Stunde des Wolfes" zu. Das Genre reizte sie. Die Arbeitsweise, bei der man sich viel Zeit nahm für Licht, Atmosphäre. Und dass die Fantasie offenbleibt: Wer ist tot, wer krank, wer weiß was?

Und dann wollte sie eben gerne mal eine Komödie machen. In "Weihnachtsengel küsst man nicht" spielt sie Lina, Model und eigentlich Sängerin, die von ihrer Freundin zu peinlichen Fotoshootings geschleppt wird, wo sie als Engel neben einem Rentier posieren muss.

Der Rentierzüchter muss auch mit aufs Bild und nervt sie erst gewaltig, dann gar nicht mehr. Mit Silke Bodenbender und Simon Schwarz als Rentierpapa Rudi ist die Komödie charmant gegen den Strich besetzt, daraus zieht sie ihren Witz. Die Schauspielerin singt sogar, "The Book of Love". Man bekommt das Lied lange nicht mehr aus dem Kopf.

Für "Die Löwin" sprach der Dreh in Südafrika, mit einer südafrikanischen Regisseurin und wilden Tieren. Silke Bodenbender versucht immer, sich aus einem Rollenfach wieder rauszuschmeißen, wie sie sagt. Sie müsse sich fordern.

Für "Die Stunde des Wolfes" musste sie ein anderes, tolles Drehbuch ablehnen. "Bei dem wusste ich vorher: Es ist ein politischer Stoff, die Zeitungen werden ihn sicher gut besprechen. Aber ich wusste auch schon, wie ich die Rolle spielen würde. Das war mir zu langweilig."

Sie nimmt nicht jede Rolle

Neulich sagte ein Fernsehredakteur zu ihr, er fand es erstaunlich, dass sie sich es am Anfang geleistet habe, so viel abzulehnen. All die Rollen als liebliche Blondine. Oder nach dem Wedel-Zweiteiler "Mama und Papa", 2006, mit dem sie bekannt wurde. Danach kamen dauernd Angebote für Frauenfiguren, die ihre Männer verlassen.

Silke Bodenbender hat lange sehr studentisch gelebt, in einer WG gewohnt, Theater gespielt sowieso. Lieber hat sie weniger verdient und gewartet, auf eine Rolle, die etwas Neues war, die sie ansprach, weil das Thema sie eventuell selbst gerade beschäftigte. "Ich habe bisher noch keine Rollen fürs Geld gespielt, egal, was das für ein Trash war", sagt sie.

Trash war wenig dabei. Hochgelobt wurde sie für Matti Geschonnecks "Silberhochzeit". Für "Eine folgenschwere Affäre" und "Das jüngste Gericht" gab es den Deutschen Fernsehpreis für die beste Nebenrolle. Am Theater waren es die Lady Macbeth und die Luise in "Kabale und Liebe", die Lavinia in "Trauer muss Elektra tragen".

Theater und Film, das lief bei Silke Bodenbender immer parallel. Dabei wollte sie eigentlich nie ins Fernsehen. Aufgewachsen war sie mit dem Theater, ihre Eltern nahmen sie früh mit, einen Fernseher gab es nicht.

Aber während ihrer Ausbildung an der Berufsfachschule Schauspiel München drehte sie bereits Kurzfilme, sie fand Spaß an beidem: an Probenarbeit und der Nähe zum Publikum am Theater, an der Eigenverantwortung für die Vorbereitungen beim Film.

Dass sie Schauspielerin wurde, hat sie ihrem überfüllten Französischkurs in der neunten Klasse und ihren Eltern zu verdanken. Damals schuf ihr Bonner Gymnasium ein Ausweichfach Theater, in dem sie Stücke schrieben, analysierten, spielten. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Architektur studieren, etwas "Richtiges".

Ihr Vater hat ihr dann die Bewerbungsunterlagen für Schauspielschulen nach Frankreich geschickt, wo sie nach dem Abi ein Jahr verbrachte. Dabei wusste er als Staatsminister im Düsseldorfer Ministerium für Arbeit, wie viele arbeitslose Schauspieler seine Statistiken füllten. Ein Jahr lang hat sie vorgesprochen, an acht Schulen. Der Theaterkurs an der Schule und diese Zeit halfen ihr, die Schüchternheit zu überwinden.

Sie mag öffentliche Auftritte nicht

Im Gespräch ist diese Schüchternheit angenehme Zurückhaltung. Silke Bodenbender kann schweigen, Wörter einfach stehen lassen, zuhören. Manchmal scheint sie froh, dass ein Satz raus ist, ein richtiger. Richtig nun im Sinne von echt, oder wahr. Etwa, wenn sie erzählt, warum sie öffentliche Auftritte nicht besonders mag. In Talkshows zum Beispiel. " Ich sitze dann da, bin feuerrot und es kann mir passieren, dass ich einen Blackout habe und gar nichts sage." Oder die Sache mit der Kritik.

"Kritik nehme ich mir zu Herzen. Auch wenn man das nicht sollte, weil man sich so abhängig macht davon. Man muss sich ja auch treu bleiben bei dem, was man selber empfindet." Einmal hat eine schlechte Kritik sie fast umgehauen.

Als sie vor fünf Jahren am Nationaltheater Mannheim die Lavinia in "Trauer muss Elektra tragen" spielte, hat sie der Mannheimer Morgen über eine ganze Seite weg total zerpflückt. "So, dass ich dachte: Ich kann da jetzt nicht mehr auf die Bühne gehen, denn ganz Mannheim hat diese Kritik gelesen." Heute sagt sie, es war ihre beste Rolle.

Silke Bodenbender muss sich identifizieren mit dem, was sie tut. Beim Drehen mischt sie sich ein, wenn sie das Gefühl hat, das stimmt so nicht, weil sie sich später nicht schämen will für das, was sie spielt. Und manchmal nimmt sie das auch mit nach Hause, wie als sie damals Lady Macbeth gab und auch privat eine dominantere, trockenere Art hatte.

"Während des Drehens oder den Proben denke ich oft: Mist, ich spiel mich selber. Aus dem Abstand heraus merke ich dann: Das hat überhaupt nichts mit mir zu tun", sagt sie. Dann fällt ihr ein, dass sie bei "Weihnachtsengel küsst man nicht" auch nach Drehschluss ständig irgendwo gegengelaufen ist. "Ein Mal hatte ich morgens sogar so ein Horn an der Stirn, dass es kaum wegzuschminken war. Da bin ich nachts gegen einen Türpfosten gerannt."

Zwei, drei Filme pro Jahr und ein Theaterstück , oder umgekehrt, dieses Limit hat die Schauspielerin sich gesetzt. Weil sie auch mal entspannt bei der Geburtstagsfeier von Freunden sitzen wollte. Und jetzt auch, um Zeit für ihren zweijährigen Sohn zu haben. Obwohl es leichter ist, Beruf und Kind zu vereinen, als sie gedacht hätte. Ihr Freund ist Schriftsteller, sie springen füreinander ein, gemeinsam leben sie in Schöneberg.

Sie nimmt die Rolle, wenn sie passt

Bevor sie ihren Sohn bekommen hat, da fand sie "den Druck ganz groß, wenn Journalisten, Kollegen mich gefragt haben: Wieso hast du denn keine Kinder. Arbeitest zu viel, was?! Diese Unterstellung, man sei dann gleich die überehrgeizige Karrierefrau. Dabei muss ja auch das persönliche Umfeld stimmen, vielleicht gab es gerade eine Trennung oder es funktioniert biologisch nicht."

Silke Bodenbender wollte sich in diese Rolle nicht drängen lassen. Sie hat sie angenommen, als es passte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!