Dumpingpreise in der Weltschifffahrt: Die Logik der großen Schiffe

Die norddeutschen Reedereien wollen sich gegen die Weltmarktführer wehren. Mit neuen Allianzen wollen sie erfolgreicher um Containerzahlen und Marktanteile ringen.

Eine Allianz geschmiedet: Deutschlands größte Containerreederei Hapag-Lloyd muss mit der Konkurrenz kooperieren, um nicht unterzugehen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es ist ein reiner Abwehrkampf gegen die Giganten. Norddeutsche Container-Reedereien flüchten sich in Kooperationen und sogar Fusionen, um in dem beinhart geführten Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt nicht unterzugehen. Die 164 Jahre alte Traditionsreederei Hapag-Lloyd, immerhin weltweit die Nummer fünf im Containertransport (siehe Kasten), geht eine Allianz mit fünf mittelgroßen Konkurrenten ein. Die Hamburger Reedereien Rickmers und Komrowski wollen sich Anfang nächsten Jahres in der Holding "Blue Star" zusammenschließen, die Reedereien Döhle und Russ verhandeln über eine Kooperation. Grund ist "der ruinöse Kampf um Preise und Marktanteile", sagt Max Johns, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR).

Seit etlichen Monaten liefern sich die Branchenriesen Maersk aus Dänemark und MSC aus der Schweiz einen erbitterten Kampf um Marktanteile. Die beiden, die zusammen etwa ein Viertel des Welthandels mit Containern beherrschen, rangeln vor allem auf den Linien zwischen Europa und Ostasien um jede Kiste. Die Folge ist, dass die Frachtraten auf einen "historischen Tiefstand" abgesunken sind, so ein Hamburger Logistikfachmann, der ungenannt bleiben möchte. Im Jahr 2010 musste für den Transport eines Containers von Schanghai nach Hamburg noch rund 1.600 US-Dollar bezahlt werden, aktuell liegt der Tarif bei 650 Dollar, "kostendeckend", so der Logistiker, wären 1.100 Dollar.

Im Fernostverkehr verdient mithin zurzeit keine Reederei. Aber aus Angst vor dem Verlust von Marktanteilen wird der Verdrängungswettbewerb weiter geführt. Bei MSC indes scheint die Luft bereits dünn zu werden: Das Unternehmen kündigte kürzlich an, auf bestimmten Routen mit der französischen CMA CGM, weltweit die Nummer drei, zusammen zu arbeiten. "Wohin das führt, weiß in der Branche zurzeit niemand", sagt der Hafenkenner im Gespräch mit der taz.

Die weltgrößten Containerreedereien im Jahr 2009 waren:

1. Maersk, Dänemark: 2,032 Millionen TEU; Marktanteil 15,5 Prozent.

2. Mediterranean Shipping Company (MSC), Schweiz: 1,470; 11,2 Prozent.

3. CMA CGM, Frankreich: 0,988; 7,5 Prozent.

4. Evergreen Line, China: 0,625; 4,8 Prozent.

5. Hapag-Lloyd, Deutschland: 0,488; 3,7 Prozent.

6. China Ocean Shipping Company (COSCO), China: 0,486; 3,7 Prozent.

7. Neptune Orient Lines (NOL), Singapur: 0,473; 3,6 Prozent.

8. China Shipping Container Lines (CSCL), China: 0,451; 3,4 Prozent.

9. Nippon Yusen Kaisha (NYK), Japan: 0,433; 3,3 Prozent.

10. Hanjin, Südkorea: 0,378; 2,9 Prozent.

Zunächst einmal führt das zum Abwehrkampf der mittelgroßen Reedereien. Hapag-Lloyd bündelt jetzt seine Ostasien-Verkehre zusammen mit fünf bisherigen Konkurrenten in der "G6 Alliance". Dazu zählen mit Neptune (Singapur) und Nippon (Japan) zwei weitere Top-Ten-Reedereien sowie HMM (Korea), MOL (Japan) und Chinas viertgrößter Logistiker OOCL.

Künftig verbinden mehr als 90 Schiffe über 40 Häfen in Asien, Europa und im Mittelmeer, teilte Hapag-Lloyd mit. Ab April werde die Allianz insgesamt neun Container-Liniendienste betreiben, darunter auch einer, der von Asien ohne Umladen in Rotterdam oder Hamburg bis in die Ostsee nach Göteborg und Danzig fährt. Ziel sei "eine deutliche Verbesserung des Angebots". Die hohe Taktdichte der An- und Abfahrten werde "zur besten im Markt gehören", kündigte Hapag-Lloyd an.

Mit "Blue Star" wollen Rickmers und Komrowski "den Herausforderungen eines schwierigen Marktumfeldes" begegnen, erklärten sie. Die Schifffahrt müsse "sich den globalen Herausforderungen anpassen". Das neue Unternehmen, das auch Tanker und Massengutfrachter betreibt, würde die größte deutsche Frachtreederei werden: "Mehr Größe bedeutet mehr wirtschaftliches Gewicht."

In der Tat müssten die Kleinen befürchten, von den Branchenführern "vom Markt gedrängt oder geschluckt zu werden", sagt der Hamburger Logistiker. Diese setzten auf "die Logik der großen Schiffe". Deren neue Containerriesen seien bei den Betriebs- und vor allem Treibstoffkosten "pro Kiste einfach billiger" als betagte mittelgroße Schiffe. Deshalb hätten Maersk, MSC und CMA CGM vermutlich den längeren Atem. Die Konkurrenten würden ohne Kooperation "in den Ruin getrieben".

Max Johns vom Reederverband sieht es nicht ganz so dramatisch. Immerhin wachse der Welthandel, anders als 2008 und 2009, weiter an, für 2012 wird ein Plus vorhergesagt. Der Preiskampf aber, sagt auch Johns, "darf nicht endlos weitergehen".

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