Softwareprogramm für Unis: Hochschulzulassung fordert Köpfe

Bund und Länder werfen der staatlichen Softwarefirma HIS Versagen bei der zentralen Hochschulzulassung vor. Nun muss der Geschäftsführer gehen.

Studenten in einem Aachener Vorlesungssaal. Bild: dapd

BERLIN taz | Sie wollen jetzt Taten zeigen: Als Gesellschafter des staatlichen Softwareherstellers Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) haben Bund und Länder am Donnerstagabend die Ablösung des Geschäftsführers der HIS beschlossen.

Martin Leitner muss im Februar gehen, weil die Gesellschafter seinem Unternehmen die Verantwortung für etliche Pannen im Zusammenhang mit der geplanten zentralen Hochschulzulassung zuschreiben. Wer sein Nachfolger wird, ist noch unklar.

HIS hatte ein Softwareprogramm nicht liefern können, das 80 Prozent der Hochschulen brauchen, um am Zentralverfahren teilzunehmen. Deshalb sollen bis Herbst 2012 auch die Produkte der zuständigen HIS-IT-Sparte und unternehmensinterne Abläufe "ergebnisoffen" evaluiert werden. "Angesichts des Vorlaufs und der Privatisierungsankündigung ist das Verfahren aber wohl kaum ergebnisoffen", sagte Swen Schulz, SPD-Mitglied im Bildungsausschuss des Bundestages der taz.

Damit spielt Schulz auf einen Brief des Bundesbildungsministeriums an die Kultusminister der Länder aus Dezember 2011 an, in dem es hieß: "Als einer der 17 Gesellschafter hält der Bund eine Privatisierung der HIS-IT für einen geeigneten Weg." Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, kritisiert: "HIS-IT auf ein anderes Geschäftsmodell umzustellen, birgt das Risiko, dass die Anbindung der Hochschulen an das neue Zulassungsverfahren weiter verzögert wird. Das ist nicht im Interesse von Hochschulen und Studienbewerbern."

3,3 Millionen Euro gespart?

Denn vor allem sie sollten künftig von dem neuen Verfahren profitieren. Die Studieninterssierten könnten sich auf der zentralen Online-Plattform "Hochschulstart" für zulassungsbeschränkte Studiengänge an Universitäten in ganz Deutschland bewerben. Dadurch erhielten die Universitäten einen besseren Überblick über bereits vergebene Plätze. So könnte verhindert werden, dass wie in der Vergangenheit bis zu 20.000 Studienplätze pro Semester nicht vergeben werden können, weil die jungen Leute sich an mehreren Unis gleichzeitig bewerben und Plätze blockieren.

Doch die Interessen der Studierenden stehen bei den Entscheidungen der HIS-Gesellschafter offenbar ohnehin nicht mehr im Mittelpunkt. Auf eine Anfrage der taz antwortete das BMBF: "Die anvisierte Untersuchung der HIS-IT ist unabhängig von den weiteren Entwicklungsarbeiten der HIS GmbH zur Anbindung der von ihr mit Software belieferten Hochschulen an das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV)." De facto soll die HIS also das Chaos noch zu Ende bringen - und dann bluten.

Eine Privatisierung der Softwaresparte bedeutete eine existenzielle Schwächung der HIS GmbH: Sie spielt mehr als die Hälfte der etwa 15,5 Millionen Euro ein, die die HIS mit ihren drei operativen Geschäftsbereichen verdient. Hinzu kommen etwa 9 Millionen Euro institutionelle Förderung, zu einem Drittel vom Bund, zu zwei Dritteln von den Ländern getragen. Davon sparten sich Bund und Länder im Falle einer Privatisierung 3,3 Millionen Euro.

Erhebliche Planungsunsicherheit

Kleine Summen für die öffentliche Hand - wichtige Gelder für die HIS. Das zentrale Zulassungsverfahren war im April 2011 zum ersten Mal verschoben worden, da ein altes HIS-Programm nicht an das bereits entwickelte Zentralprogramm andocken konnte. Danach entwarf HIS eine Kopplung und erbat sich von seinen Gesellschaftern im August 2,5 Millionen Euro Förderung. Obwohl sie vertraglich dazu verpflichtet waren, weigerten sich die Länder, diese Kosten zu tragen.

Die Finanzminister beschlossen stattdessen im September eigenmächtig ein so genanntes Junktim-Modell: Der Bund müsse ein Drittel der Kosten übernehmen. Dass der Bund kein Geld geben würde, war absehbar und bedeutete für die HIS GmbH erhebliche Planungsunsicherheit. Im Dezember scheiterte ihr zwischenzeitlich selbst finanziertes Programm. Die Finanzministerkonferenz beantwortete mehrere Anfragen nicht, warum sie eigenmächtig so gehandelt hatte.

Doch genauso wie die späte Reaktion der Gesellschafter auf das Scheitern des ersten Startversuchs im April 2011 zeigt das Beispiel, dass sich die Gesellschafter nicht gerade in das Projekt hineinknieten. Aus diesem Grund befürwortet auch der thüringische Kultusminister Christoph Matschie (SPD) die Privatisierung der HIS. Er, der im Dezember aus den vertraglichen Verpflichtung aussteigen wollte, sagt: "Wir brauchen für die HIS eine Struktur, die sicher stellt, dass sie notwendige unternehmerische Entscheidungen ohne umständliche Abstimmungsprozesse mit Bund und Ländern zeitnah treffen kann."

Pilotbetrieb mit 40 Hochschulen

Sein Parteikollege Swen Schulz von der SPD-Bundestagsfraktion hält dagegen, dass ein staatliches Unternehmen sehr wohl wettbewerbsfähig sein kann: Dazu gehört dann aber auch die rechtzeitige Wahrnehmung der Aufgaben der Gesellschafter. Ich bleibe dabei, dass die Lösung des Problems nicht in der Privatisierung der HIS-IT liegt."

Ähnlich sieht das auch Thomas Kathöfer, der am Mittwoch die Hochschulrektorenkonferenz im Bildungsausschuss des Bundestages vertrat. "Eine Privatisierung der HIS sollte gründlich überdacht werden. Sie bedeutet für uns einen großen Schritt, mit einem neuen Partner wäre viel zusätzliche Abstimmung nötig."

Infrage käme als Ersatz für HIS die Software der Hamburger Firma Datenlotsen. Diese hat eine Art Bypass für das HIS-System entwickelt, das die betroffenen Hochschulen an die Zentralsoftware andocken kann. "Auch HIS hat eine solche Lösung schon vor einem Jahr angeboten", sagt Sven Gutow, stellvertretender Leiter der HIS-IT. Während die Gesellschafter damals abgelehnt haben sollen, ist die Software nun am Markt und sowohl HIS als auch Datenlotsen behaupten, bis 2013 alle willigen Hochschulen verbinden zu können. HIS will dafür 3 Millionen Euro benötigen, die Datenlotsen sprechen von 4,6 Millionen Euro.

Doch all diese Möglichkeiten sind noch nicht voll getestet und so startet ab April erst einmal der geplante Pilotbetrieb des zentralen Zulassungssystems mit 40 statt 180 Hochschulen. Kai Gehring von den Grünen hält davon nicht viel. Er fordert: "Wir brauchen schnellstmöglich bundeseinheitliche Regeln zur Hochschulzulassung und viel mehr Studienplätze mithilfe des Hochschulpakts von Bund und Ländern."

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