Der Tod von Chantal: Test für Pflegeeltern

Nach dem Methadontod einer Elfjährigen werden in Hamburg 1.300 Pflegeeltern überprüft. Staatsanwaltschaft führt Vorermittlungen gegen Jugendamt durch.

Überprüft werden in Hamburg nun 1.300 Pflegefamilien. Bild: dpa

HAMBURG taz | Nach dem Tod der elfjährigen Chantal werden in Hamburg alle 1.300 Pflegefamilien und deren Hausangehörige überprüft. Dazu hat SPD-Sozialsenator Detlef Scheele am Montag die Jugendämter aufgefordert. Bis zum 15. Februar soll geklärt werden, ob Hinweise auf Suchterkrankungen oder Straftaten vorliegen. Außerdem müssen künftige Pflegeeltern ein Gesundheitszeugnis vorlegen, das auch einen Drogentest beinhaltet. Scheele bat die Pflegeeltern um Verständnis. Es gehe darum, dass sich der Tod eines Kindes in einer Pflegefamilie "nicht wiederholt".

Zuvor hatte der Bezirk Mitte, in dem Chantal lebte, angekündigt, er werde seine 310 Pflegefamilien überprüfen. "Alle Akten und Berichte werden von Jugendamtsmitarbeitern angeguckt", sagt Sprecher Lars Schmidt-von Koss. Bei möglichen Verdachtsfällen würden die Familien "aufgesucht". Wie berichtet, starb Chantal an einer Methadon-Vergiftung. Vorige Woche kann heraus, dass ihre Pflegeeltern als Drogenabhängige Methadon nehmen.

Dabei gibt es für Pflegeeltern schon jetzt strenge Auflagen: Sie müssen wirtschaftlich unabhängig und gesund sein und dürfen keine Vorstrafen haben. Das gilt allerdings nicht, wenn ein Kind bei Freunden oder Verwandten bereits aufgenommen wurde und im Nachhinein ein Antrag auf Pflegegeld gestellt wird. Um ein Kind dann wieder herauszunehmen, müsse das Jugendamt "nachweisen, dass das Kindeswohl gefährdet ist", sagte der Psychologe Kay-Uwe Fock vom Beratungsverein "Freunde der Kinder e.V." gegenüber der Welt. Etwa die Hälfte der Pflegekinder komme so in die Familien.

So war es auch 2005, als die spätere Pflegefamilie von Chantal mit ihrer Enkelin das erste Pflegekind bekam. 2008 folgte dann Chantal als nicht-verwandtes Pflegekind. Zwischen Bezirk-Mitte und dem freie Träger "Vereinigung sozialtherapeutischer Einrichtungen" (VSE) gibt es ein Schwarzer-Peter-Spiel um die Verantwortung für diese Entscheidung.

Mitte-Sprecher Schmidt-von Koss hatte erklärt, ihm liege eine Erklärung des VSE vor, wonach die Pflegeeltern von Chantal für diese Aufgabe geeignet seien. Die Bild-Zeitung veröffentlichte nun das "Dokument der Schande". Darin schreibt eine VSE-Mitarbeiterin, die das Ehepaar wegen der Enkelin seit November 2007 begleitete, die beiden seien "in der Lage Chantal als Pflegekind zu betreuen". Sie nehme das Paar als "sehr verantwortungsbewusst und reflektiert" wahr.

Die VSE bestreitet, eine formelle Eignungsfeststellung ausgestellt zu haben. Man sei als Träger dafür nicht engagiert gewesen, "das ist auch vertraglich so geregelt", sagt Sprecher Andreas Reker.

Die Verantwortungsfrage interessiert auch die Staatsanwaltschaft. Sie hat ein "Vorermittlungsverfahren" wegen Verletzung der Fürsorge und Erziehungspflicht eingeleitet. "Gegen wen sich das richtet, ist noch offen", sagt deren Sprecher Wilhelm Möllers.

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