: Mehr als ein Klub
SPORT Wenn die Fußballhelden aus Barcelona spielen, trifft sich ihr Berliner Fanverein zum kollektiven Hüpfen, Jubeln, Fluchen. Die Partie gegen Madrid geht an die Nerven
VON FELIX AUSTEN
Am Ende rettet Mauricio die Show. Während der schöne Ronaldo das halbe Spiel über auf der Bank hockt und der fantastische Messi trotz seines Ausgleichstreffers die Niederlage nicht von Barça abwenden kann, ist es der ältere Herr, der am Kottbusser Damm für gute Stimmung sorgt. Er ist der gefühlte Mittelpunkt des Vereins Penya Barcelonista Berlín Culé e. V. (PBBC), des einzigen offiziellen FC-Barcelona-Fanclubs in der Hauptstadt.
Immer wenn die Blaugrana – wie die Mannschaft aus Barcelona genannt wird – den Rasen betritt, um nicht weniger als den Stolz der Katalanen zu verteidigen, findet sich Mauricio im Vereinsraum in Kreuzberg ein. So auch am vergangenen Samstag: Zusammen mit rund 100 Barçafans ist er gekommen, um „El Clásico“ anzusehen, das Spitzenspiel zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Und wie immer kommt Mauricio mit zwei Megafonen – und geht ohne Stimme: „Voti, voti, voti, Madridista qui no voti!“, krächzt er – „Springt, springt, springt, aus Madrid ist, wer nicht springt.“
Mauricio springt natürlich. Zwischendurch zwar allein, meistens aber tun es die anderen Fans ihm gleich – größtenteils Spanier, doch auch einige Deutsche sind darunter. Einzig eine Gruppe Israelis in weißen Hemden bleibt auf den Klappstühlen sitzen. „Die sind alle willkommen, auch Madrid-Fans“, sagt einer der Klubchefs, Bernat Tapias, der mit seinem dunkelblonden Bart an Barças Verteidiger Gerard Piqué erinnert.
Der heute 31-Jährige übernahm den Verein 2005 zusammen mit zwei Freunden. Sie beantragten eine Lizenz für einen offiziellen Barça-Fanclub. Für 20 Euro im Jahr bekommt nun jedes Mitglied ein Polohemd mit Barcelona-Berlin-Wappen, die Möglichkeit, zu Auswärtsspielen Barcelonas in Deutschland zu fahren, vergünstigten Eintritt zu den gemeinsamen Fußballabenden – und das Gefühl, zur Familie zu gehören. Denn der FC Barcelona ist für die Katalanen „més que un Club“, mehr als ein Klub. „Das ist Religion und Lebensinhalt“, sagt Bernat Tapias. Sieht man den trötenden Mauricio, der zwei Stühle weiter sitzt, ahnt man, was er meint. „Die Leute nehmen den Verein zum Teil zu ernst.“
Für den aus Barcelona stammenden Tapias ist der Fanclub eher der Rahmen für ein bisschen Heimat in der Fremde. Vor acht Jahren zog er das erste Mal nach Berlin. „Damals waren die Leute noch interessiert, wenn sie hörten, dass man aus Barcelona kommt“, sagt er. Heute seien Spanier in Berlin nichts Besonderes mehr. Nach einer kurzen Rückkehr nach Katalonien wohnt er jetzt wieder hier. Er arbeitet in einer Spielautomatenfirma. „Berlin ist eine tolle Stadt“, sagt er. Irgendwann wolle er aber wieder in Barcelona leben.
Wenn Mauricio etwas seine Heimat nennt, dann ist es wohl der Fußball. Gerade kommt er aus dem Olympiastadion, Hertha gegen Dresden, jetzt „el Clásico“. Stundenlang im Stadion zu stehen macht müde und kalt. Deshalb trinkt Mauricio, obwohl er seit fast vierzig Jahren in Berlin wohnt, was sich ein deutscher Fußballfan nie trauen würde: Espresso mit Schuss, kein Bier. Wie sein Getränk sind seine Sätze: würzig und vor allem kurz. „Madrid, cabrón, salud al campeón!“ – „Madrid, du Arschloch, wohl dem Meister!“ Früher habe er in Brasilien, Chile und Israel gelebt, erzählt er, und reicht den Flachmann herum. Dann passiert etwas auf dem Rasen, und er schießt wieder hoch. In einem Moment jubelt er, im nächsten verflucht er den Schiedsrichter oder den Kommentator. Dann wieder feuert er seine Leute an.
Beim Abpfiff ist Mauricio geschafft. Barcelona, eigentlich unangefochten Spitze in der Spanischen Liga, unterliegt dem Rivalen aus Madrid mit 1:2. Während Barças Torwart Victor Valdes austickt und eine Rote Karte für Schiedsrichterbeleidigung kassiert, nimmt es Mauricio gelassen. „Ehrlich gesagt, ist das gar nicht so schlimm“, sagt er. Er sieht zwar müde aus, aber zufrieden. Sich und den anderen Fans hat er mit seiner Show einen schönen Nachmittag beschert.