Debatte über Waffen: Schützen schießen gegen Steuer

Wenn am heutigen Donnerstag die bremische Bürgerschaft über eine Waffenbesitzsteuer berät, wird es dort voll werden. Empörte Schützenvereine und Jäger haben sich angesagt.

Sportschützen sind sauer auf Bremen: Sie wollen keine 300 Euro pro Waffe zahlen. Bild: dpa

BREMEN taz | Sachlich wäre es, die Debatte auf ihren rechtlichen Kern zu reduzieren: Auf die Fragen der Machbarkeit und was der die Steuer legitimierende Aufwand sein könnte. Denn eine Steuer, die sich nicht rechnet, ist ja auch verboten. Aber es geht halt um Waffen, darum, von ihren Besitzern Extra-Steuern zu verlangen, um die Zahl der Gewehre, Revolver und Pistolen im Privatbesitz zu senken.

Und schon ist es mit der Sachlichkeit vorbei. Denn die einen sind dagegen, dass es Waffen überhaupt gibt, zumal in privater Hand, diese Mordgeräte. Die anderen sprechen von Sportgeräten, von Traditionspflege seit es 1813 gegen den bösen Franzosen ging. Und sie fühlen sich kriminalisiert, weil das School-Shooting von Winnenden die Diskussionen motiviert. So wars in Göttingen, wo man die Pläne vor anderthalb Jahren begraben hat. So ists derzeit in Schleswig-Holstein oder auch in Bremen, wo die Bürgerschaft heute erstmals über die Steuerpläne berät, die der Senat laut Antrag prüfen soll. So wirds bald auch in Hamburg sein, wenigstens hat Arno Münster (SPD) angekündigt, dranzubleiben, am Thema.

Er weiß, worauf er sich einlässt: Als der Bürgerschaftsabgeordnete sich nach den registrierten Waffen des Stadtstaates erkundigte - 74.165 sind es - war das gewiss keine rüde Intervention. Aber "schon als wir nur die Anfrage gestellt hatten, brach ein Sturm los", heißt es aus Münsters Büro. "Ziemlich heftig" nennt auch Lars Bethge, Sprecher des SSW im Kieler Landtag die Reaktionen, "kurz nachdem wir den Antrag eingebracht hatten". In dem gehts um bessere Kontrollen und darum, eine Haltung des Landes zu einer möglichen Bundes-Steuer zu entwickeln.

Zur Zulässigkeit einer kommunalen Waffenbesitzsteuer gibt es zwei gegensätzliche Gutachten:

Rechtsanwalt Volker Stehlin bejaht sie im Auftrag des baden-württembergischen Städtetages.

Jäger und Professor Johannes Dietlein verneint sie im Auftrag des Forums Waffenrecht, Jagdverbänden und dem Deutschen Schützenbund (DSB).

Aufwandsteuern ergeben sich aus dem über dem Lebensstandard liegenden Aufwand, den etwa ein Hundehalter durchs Halten eines Hundes betreibt.

Relativiert wird dieser Steuergrund durch die erhöhte Steuer für gefährliche Hunde aber auch für "Gewaltspielautomaten".

Deren Eindämmung hat das Bundesverfassungsgericht "angesichts des Gefahrenpotentials" für ein gutes Ziel einer Kommunalsteuer gehalten (1 BvR 624/00).

In Bremen sitzt Björn Tschöpe im Auge des Shit-Storms. Er ist Chef der SPD-Fraktion, und in seinem Entwurf ist von einem Steuersatz von 300 Euro pro Waffe pro Jahr die Rede, bis zu fünf Millionen Einnahmen für Bremen. "Wir haben uns an den Obergrenzen für Kampfhundsteuer orientiert", sagt Tschöpe. Da liegt der Satz bis zu elfmal so hoch, wie der normale: Volle 500 Euro in Großenfehn hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg gerade erst für rechtens erklärt (9 LA 163/10): Legitimiert seien die durch die "abstrakte Gefährlichkeit" der Tiere. Das passt auch auf Sportwaffen. Derartige Summen "schienen uns aber zu hoch", so Tschöpe.

Gedankt haben ihm das die Schützen nicht: "Wie matschig in der Birne muss man sein, um so was auszuhecken", mailt einer, ein anderer wähnt, die SPD wolle "das Volk entwaffnen, weil Euch der Arsch auf Grundeis geht". Es wird auch gedroht: "Erst wenn ihr in die Mündungen dieser Waffen schaut, werdet ihr begreifen." Klar, haben wir alles "der 68er Generation zu verdanken". Dass die rot-grüne Koalition eigentlich "braun" ist und aus "gewissenlosen Volksverrätern" besteht, verbreitet der Blog Guntalk.de. Den betreibt ein bayrischer Waffenhändler und Schießlehrer, der Sportschützen konsequent mit Holocaust-Opfern vergleicht.

Am heutigen Donnerstag wirds voll in der bremischen Bürgerschaft. Jäger wollen kommen, obwohl der Entwurf ihren ersten vier Knarren Steuerfreiheit garantiert, und die Schützenvereine haben sich auch angesagt. Tracht sollen sie tragen oder Uniform. Und bitte, fleht die Rundmail, "keine Negativschlagzeilen durch Zwischenrufe verursachen".

Im Durchschnitt sind "Legalwaffenbesitzer in psychopathologischer Hinsicht überhaupt nicht auffällig", hat im Januar der Rechtspsychologe Dietmar Heubrock dem Kieler Rechtsausschuss erklärt. Jürgen Kohlheim etwa ist ein Gegner der Waffenbesitzsteuer-Pläne, "wobei wir schon das Wort ablehnen", so der Vize des Deutschen Schützenbunds. "Es müsste Sportgerätesteuer heißen." Deren Gefährlichkeit müsse man relativieren: "Kein Mensch zieht mit einer Sportpistole in den Krieg", sagt er. Selbstverständlich könne sie, "zum Tode führen". Aber deshalb gebe es ja die Sicherheitsvorkehrungen: "Die Sportschützen werden alle überprüft."

Juristisch ist die Sache in der Tat ganz offen. Auf eine Klärung vorm Verwaltungsgericht hat es Göttingen wie auch schon Stuttgart angesichts des Empörungssturms nicht ankommen lassen. Und auch in Schleswig-Holstein ist die Diskussion nach fundierter Anhörung versandet: "Bei uns", heißt es von den Grünen dort, "sind die beiden großen Fraktionen nicht drauf angesprungen." Die Wahl ist nah in Schleswig-Holstein. In Bremen ist sie gerade erst vorbei - und die Mehrheit mehr als nur solide.

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