Hochschulratsreform in BaWü: Die Wirtschaft soll kein Vorbild sein

Hochschulräte kontrollieren Universitäten und werden selbst stark von der Wirtschaft dominiert. Nun will Baden-Württemberg die Besetzung der Gremien ändern.

Zu viel Einfluss: Studierenden-Protest gegen Hochschulräte. Bild: imgao / Rüdiger Wölk

STUTTGART taz | Was in anderen Bundesländern Hochschulräte sind, das sind in Baden-Württemberg die „Aufsichtsräte“. Jahrelang hatte Schwarz-Gelb dafür gesorgt, dass die Wirtschaft großen Einfluss auf die Hochschulen des Landes hat. Die grün-rote Landesregierung will die Hochschulräte nun abschaffen und Beiräte einführen. Und die sollen beraten statt entscheiden. Da bangt die Wirtschaft um ihre Pfründen und macht schon jetzt mobil gegen ein Gesetz, das erst 2014 verabschiedet werden soll.

Nach der Novelle des Hochschulrahmengesetzes von 1998 wurden die Hochschulräte in fast allen Bundesländern eingeführt. Sie sollen gesellschaftlichen Input in die Hochschulen bringen und diese kontrollieren. Meist werden sie überwiegend extern besetzt. Die Ausgestaltung der Kompetenzen ist jedoch sehr unterschiedlich. Am Industriestandort Baden-Württemberg gehen sie sehr weit. Dort dürfen die Hochschulräte die Rektoren mitwählen, den Haushalt genehmigen und über Entwicklungspläne entscheiden.

„Über die Hochschulräte wird in die Hochschulen hineinregiert“, kritisiert Andreas Keller vom Bundesvorstand der Bildungsgewerkschaft GEW. „Die Räte haben Mitgestaltungsmöglichkeiten zum Beispiel darüber, wie das Geld verteilt wird. Das gehört eigentlich zur Selbstverwaltung einer Hochschule.“

Doch nicht nur die Befugnisse, auch die Zusammensetzung sehen Kritiker problematisch. „Die Räte sollen einen gesellschaftlichen Input in die Hochschulen bringen. Das können sie nur erreichen, wenn sie entsprechend zusammengesetzt sind“, sagt Michaela Kuhnhenne von der Hans-Böckler-Stiftung.

Zahlen der Stiftung aus dem Jahr 2008 belegen jedoch: Die meisten Vertreter stammen aus der Wirtschaft. Nur 14 Mitglieder sind Arbeitnehmervertreter, und zwar in ganz Deutschland. „Das ist schon bitter wenig“, sagt Kuhnhenne. Zudem seien Frauen unterrepräsentiert.

Nicht an Unternehmen orientieren

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte dieser Tage, dass die Wissenschaft ein eigenes Leitbild brauche, „das sich nicht einfach an Unternehmen orientiert, die bekanntlich in der Marktwirtschaft vornehmlich nach Rentabilitätsgesichtspunkten arbeiten“. Auch die Mitwirkung von Frauen müsse gestärkt werden, „und zwar gravierend“. Konkrete Pläne sollen aber erst in diesem und im nächsten Jahr erarbeitet werden.

Doch schon jetzt machen Politik und Wirtschaft mobil gegen die Pläne. „Das ist ein Rückfall in die Ideologie der Nach-68er-Generation“, sagte am Mittwoch CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Der Zweck von Lehre und Forschung sei immer stärker wirtschaftsorientiert. Es dürfe, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, „nicht am Bedarf vorbeigeforscht werden“.

Zuvor hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Baden-Württemberg eine Studie unter knapp 100 Vertretern der Wirtschaft in den Hochschulräten veröffentlicht. Ergebnis: Die Unternehmer „wollen sich nicht auf die Rolle eines Beirats herabstufen lassen“. Falls doch, wollen nur zehn Prozent der Vertreter ihr Engagement fortführen.

GEW-Vorstand Keller bestätigt, „dass die Hochschulen nicht nur in ihrem eigenen Saft schmoren dürfen“. Doch es könne nicht sein, dass nur die Wirtschaft Einfluss hat. „Die Hochschulen müssen schließlich mehr leisten, als Fachkräfte auszubilden. Sie haben auch einen kulturellen Auftrag.“

Das Wissenschaftsministerium weist nun darauf hin, dass es weiterhin großen Wert auf externe Expertise legen wolle. Die Umfrage der IHK solle in einen Dialog mit den Vorsitzenden der Hochschulräte zur Ausgestaltung des Gesetzes einfließen.

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