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Archiv-Artikel

Kein Kredit, aber Gott hilft

Migranten schaffen 18000 Arbeitsplätze für Bremen, haben Schüler herausgefunden. Eine von ihnen ist Hawa Abdul, die sich den Traum vom eigenen Imbiss verwirklicht hat

Bremen taz ■ Afrikanische Fanta ist quietschorange und schmeckt nach echten Apfelsinen. In „Mommies Corner“ kann man sie zu gestampfter Yamwurzel schlürfen oder zur Spezialität der Chefin, gelbem Reis. Noch weht kein Duft afrikanischer Spezialitäten durch den Imbiss in der Langemarckstraße. Es ist kurz vor zwölf, Gäste lassen auf sich warten. „Der Sommer lief gut“, berichtet Hawa Abdul, die sich im Mai selbstständig gemacht hat. „Aber seit es kalt ist, kommen weniger Leute.“

Wie viele Migranten in Bremen selbstständig sind und Arbeitsplätze schaffen, weiß niemand so genau. In seiner Antwort auf die Anfrage der CDU-Fraktion vom September räumt der Senat dies zum wiederholten Mal ein. Schüler der Gesamtschule West, Oberstufe der Gesamtschulen, Gymnasium Horn, SZ Walle und SZ Waliser Straße sind da schon einen Schritt weiter. Sie befragten mit ihrem Lehrer Wolfram Stein 308 Unternehmer mit Migrationshintergrund. Ihr Ergebnis: 877 Arbeitsplätze wurden von Migranten geschaffen, hinzu kommen 473 Jobs für mithelfende Familienangehörige. Von den Arbeitnehmern sind 31 Prozent Deutsche. Auf die im Mikrozensus geschätzte Anzahl der Betriebe hochgerechnet kommen die Schüler zu dem Ergebnis: Etwa 18000 Jobs werden in Bremen von Migranten geschaffen.

In einer von den Grünen veranstalteten Podiumsdiskussion näherten sich am vergangenen Donnerstag Experten der Frage, wo Potentiale und Probleme von Unternehmern mit Migrationshintergrund liegen. René Leicht vom Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung bestätigte ein Ergebnis der Schüler: „Unter Migranten gibt es im Vergleich mit Deutschen eine höhere Gründungsneigung, aber auch mehr Geschäftsschließungen.“ Viele gründen sich aus der Not heraus, weil sie auf dem Arbeitsmarkt keine Perspektive sehen. Ein Drittel hat keinen Berufsabschluss.

Von mangelnder Branchenkenntnis kann bei Hawa Abdul keine Rede sein. Zwar hat auch sie keine gastronomische Ausbildung, doch hat sie schon immer für andere gekocht: In ihrer Heimat Togo auf offenem Feuer an der Straße, in Deutschland in zahllosen Jobs von der Großküche bis zum Drogenprojekt. Eine frühere Chefin ist nun ihre Konkurrentin, ihr afrikanisches Restaurant vielleicht hundert Meter entfernt. Hawa Abdul macht sich darüber wenig Sorgen. Die Qualität des Essens zählt, ist sie überzeugt – „und Gott wird mir helfen!“

In der Gastronomie, weiß René Leicht, ist der Wettbewerb unter Migranten ruinös. Bessere Chancen sieht er auf dem Wachstumsmarkt der freien Berufe. Ein türkischstämmiger IT-Berater aus dem Publikum wendet ein: „Deutsche kaufen beim türkischen Gemüsehändler, aber sie wollen keinen ausländischen Arzt oder Rechtsanwalt.“

Um an öffentliche Startförderung zu kommen, kritisiert Harm Wurthmann von der Bremer Existenzgründungs-Initiative (B.E.G.IN), müsse man ein Top-Konzept vorlegen und Eigenkapital nachweisen. „Wir brauchen Programme, die auch kleine und weniger innovative Projekte fördern“, fordert er. Hawa Abdul hat sich ihr Startkapital von Bekannten geliehen. Eine Privatbank ließ sie gleich abblitzen, als sie nach einem Kredit fragte. Die Volksbank verlangte einen Bürgen für das Darlehen, und den konnte sie nicht stellen.

Im Moment sorgt sie sich um die Betreuung ihrer beiden Kinder, während sie weit über den Achtstundentag hinaus arbeitet. Ein Problem von Gründerinnen. Unter den deutschstämmigen UnternehmerInnen sind nur ein knappes Drittel Frauen, unter MigrantInnen wenig mehr als 20 Prozent. Aber: „Frauen helfen sich gegenseitig“, meint Hawa Abdul. Annedore Beelte