„Race“ am Staatsschauspiel Dresden: Wettbewerb im fixen Denken

Es geht um Dominanz: Die deutschsprachige Erstaufführung von „Race“, einem sehr amerikanischen Drama von David Mamet, am Staatsschauspiel Dresden.

Fabian Gerhardt (Jack Lawson), Larissa Aimée Breidbach (Susan), Falilou Seck (Henry Brown) in „Race“. Bild: Matthias Horn

Es ist ein sehr amerikanisches Genre: das Gerichtsdrama. Seit dem legendären Film „Zeugin der Anklage“ (von Billy Wilder, 1958) ahnt man, dass am Schluss die Wende kommen wird, die alles, was bis dahin nach Wahrheit aussah, in ein anderes Licht stellt, Ergebnis einer interessengeleiteten Manipulation. Das ist auch in David Mamets Stück „Race“ nicht anders, das 2009 am Broadway herauskam und jetzt in Dresden seine deutschsprachige Erstaufführung erlebte.

„Race“ ist ein Vier-Personen-Stück, schnelle Dialoge, spannend über neunzig Minuten, von einem trockenen Humor. Vier weiße Freischwinger auf der hell erleuchteten Bühne bilden das ganze Setting. Dies ist das Anwaltsbüro von Jack Lawson (Fabian Gerhardt) und Henry Brown (Falilou Seck) und in der Inszenierung von Burkhard C. Kominiski der Laufsteg für ihre rhetorischen Gefechte, das Üben der Finten, die immer schon vorhersehen wollen, was das Publikum, die Geschworenen, die Richter denken und wie man sie überraschen kann. Einmal boxen sie dabei, hüpfen und springen Seil, immer noch in ihren distinguierten Anzügen, sportiver Wettbewerb im fixen Denken.

Dass Lawson weißer Hautfarbe und Brown dunkler ist, gibt ihnen ein gewisses Image. Und dass es ihrem neuen Klienten Charles Strickland, einem reichen und weißen Mann, der der Vergewaltigung einer jungen schwarzen Frau angeklagt ist, genau darauf ankommt, nimmt sie nicht gerade für ihn ein. Ihn zu demütigen und klein zu machen, das ist ihre spontane Reaktion. Und eigentlich wollen sie den Fall ablehnen. Weil man keine Fälle annimmt, die man voraussichtlich verliert.

Schnelle Dialoge

Dass ausgerechnet ihre Assistentin Susan, intellektuell und kühl von Larissa Aimée Breidbach angelegt, sie mit einem Trick dazu bekommt, die Verteidigung anzunehmen, überrumpelt die beiden Anwälte. Denken sie doch, dass gerade sie, als junge schwarze Frau, auf Seiten des Opfers stehen müsste und diesem mit mehr Glauben begegnen …, okay, ja genau so eingeschätzt zu werden, das ist es eben, was die so äußerst beherrschte und cool wirkende Susan nicht länger ertragen will.

Das ist die Falle des aus der Hautfarbe abgeleiteten Denkens. Deshalb wird Susan auch für die Pointe am Schluss des Stücks sorgen. Und damit aus der Perspektive ihrer Arbeitgeber das Klischee, dem sie zu entkommen sucht, wieder bestätigen.

Ein paar Windungen mehr

Die Regeln der Political Correctness erzeugen in dieser Geschichte kein Ende der Diskriminierung, sondern eher ein paar Windungen mehr in der Schraube der Unterstellungen und Projektionen. Es gehe um Dominanz. Das ist eine wiederkehrende und wörtlich von allen drei Anwälten ausgesprochene Behauptung des Stücks, Dominanz zwischen den Geschlechtern, Dominanz zwischen den Hautfarben. Jede der vier Figuren ist darauf abgestellt, dies im Verhältnis zu den andern für sich herzustellen.

Und dabei jene Schuldgefühle für sich auszunutzen, die aus der Geschichte der Diskriminierung resultieren. In dieser Hinsicht ist das Drama Mamets auch eindimensional, es gibt im Verhalten keine Abweichung von dieser Spielregel. Jeder argumentative Vorteil ist zugleich ein Punkt im Wettbewerb der Eitelkeiten. Das ist zwar unterhaltsam. Bewirkt aber später auch das Gefühl, letztendlich nur ein paar diskursiven Pirouetten zugeschaut zu haben.

David Mamet ist als Drehbuchautor einem größeren Publikum bekannt („The Postman Always Rings Twice“, „Wag the Dog“). Er schrieb zu „Race“ in der New York Times: „Es ist ein Stück über Lügen. Jedes Drama handelt von Lügen. Wenn die Lüge enthüllt ist, ist das Spiel aus. Rasse ist, wie Sex, ein Thema, über das es fast unmöglich ist, die Wahrheit zu sagen.“ Sein Stück lief übrigens schon am Broadway, als ein gewisser Strauss-Kahn in einem New Yorker Hotel einige Szenen davon vermutlich unwissentlich nachspielte.

In Dresden war „Race“ schon lange vor der Debatte über Blackfacing auf dem Theater geplant, und mit Larissa Aimée Breidbach und Falilou Seck wurden auch zwei deutsche Schauspieler gefunden, deren Hautfarbe der ihrer Rolle entspricht. Dennoch ist es ihre Professionalität, die sie überzeugend macht, persönliche Authentizität spielt für diese Inszenierung keine Rolle. Es fühlt sich merkwürdig hölzern an, dies eigens betonen zu wollen – aber manchmal ist auch das notwendig.

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