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Archiv-Artikel

„Diktatur des Geldes ist so ein Schlagwort“

KULTURPOLITIK Stefan Brandt, der neue Geschäftsführer der Hamburger Kunsthalle, wollte Opernsänger werden und ging stattdessen zu McKinsey. Jetzt ist er zurück in der Kultur und haftet mit einem Teil seines Gehalts für die schwarze Null des defizitären Hauses

Stefan Brandt

■ 36, Sänger, Ex-Unternehmensberater, seit Oktober 2012 kaufmännischer Geschäftsführer der Hamburger Kunsthalle.

INTERVIEW: PETRA SCHELLEN

taz: Herr Brandt, Sie wollten Opernsänger werden. Warum sind Sie jetzt Geschäftsführer der Hamburger Kunsthalle?

Stefan Brandt: Weil ich erkannte, dass ich meinen eigenen stimmlichen Ansprüchen nicht gerecht werden würde. Und was mein zweites Fach – die Musikwissenschaft – betrifft: Ich hatte den Eindruck, dass ich mich in der reinen Wissenschaft nicht dauerhaft wohlfühlen würde. Deshalb habe ich zwar beide Studien abgeschlossen, bin dann aber ins Kulturmanagement gegangen.

Sie haben lange bei der Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet. Sind Sie der geborene Controller?

Ich habe sicherlich auch eine Affinität zu Zahlen – was bei Musikinteressierten ja nicht so selten ist. Und zu McKinsey kam ich, weil ich mich in puncto Wirtschaft weiterbilden wollte und viele Unternehmen keinen „Exoten“ einstellen wollten. Dass aus drei Jahren dann sieben wurden, hatte ich nicht geplant. Aber genauso, wie ich bei McKinsey ein Exot war, als ich von der Musik kam, war ich später im Kulturbetrieb ein Exot, weil ich von McKinsey kam. Ich habe mich dann sehr gefreut, als sich die Möglichkeit ergab, in der Hamburger Kunsthalle zu arbeiten.

Aber Ihr Job besteht schon auch aus Kontrolle. Sie müssen den Direktor bremsen, wenn er zu viel Geld ausgeben will.

Ich betrachte mich nicht als Kontrolleur. Herr Gaßner und ich bilden eine gleichberechtigte Doppelspitze, die sich in allen wichtigen Fragen abstimmt. Das gelingt bislang gut. Überhaupt bin ich überzeugt, dass man mit der Peitsche vielleicht kurzfristige Effekte erzielt, aber keine nachhaltigen Erfolge. Ich finde es besser, sich in wichtigen Fragen persönlich abzustimmen.

Werden Sie entlassen, wenn Sie keine schwarze Null schaffen?

Nein. Ein bestimmter Anteil meines Gehalts ist aber daran gekoppelt, dass keine Verluste geschrieben werden.

Hamburg hat lange nach einem Geschäftsführer gesucht. Ihre Position war also gut. Haben Sie gefordert, dass das strukturelle Defizit von fast einer Million Euro beseitigt wird?

Das strukturelle Defizit, wenn Sie es so nennen wollen – oder das, was uns fehlt, um sachlich vernünftig operieren zu können – kann man nicht per Handstreich ausgleichen. Ich habe aber darauf hingewiesen, dass wir für Posten, die wir nicht beeinflussen können, Tarifsteigerungen etwa, einen Ausgleich brauchen. Bislang gab es von der Stadt ein gewisses Entgegenkommen, und ich hoffe, dass es auch künftig Wege geben wird, diese Posten über Sondermittel auszugleichen. Richtig ist allerdings: Es gibt derzeit noch keine langfristige Lösung.

Können Sie das strukturelle Defizit aus eigener Kraft abbauen?

Wir glauben, dass wir auch dieses Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis erreichen können, wenn die Besucherprognosen eintreffen. Wenn wir die Lücke aber wirklich substanziell schließen wollen, brauchen wir noch mehr Sponsoren, die sich langfristig engagieren. Danach suchen wir stetig.

Sie stammen aus Weimar. Gibt es DDR-Verhaltenscodes, die Sie hier gut gebrauchen können?

Improvisationsfähigkeit. Das war etwas, das in der DDR automatisch mit geschult wurde – natürlich dem Mangel geschuldet. Das ist bei meiner jetzigen Tätigkeit sicher hilfreich. Was die DDR insgesamt angeht, habe ich keine so positiven Erinnerungen daran, sondern eher das Gefühl, dass der permanent drohende Eingriff des Staates ins private Leben alles überwölbt hat.

Aber jetzt haben wir die Diktatur des Geldes.

Ja, das ist so ein Schlagwort. Aber wie äußert sich die? Letztlich stecken hinter der Verteilung von Geld ja Individuen. Wir haben fast 18.000 Freunde der Kunsthalle sowie viele wohlhabende Bürger, die sich engagieren. Andere helfen ehrenamtlich. Letztlich geht es darum, wie stark Geld unsere Entscheidungen beeinflusst. Ich habe mich zum Beispiel bewusst für die Kunsthalle und gegen finanziell attraktivere Optionen entschieden, weil mir die Inhalte wichtiger waren.