Kommentar FDP-Parteitag: Hilfe, holt mich hier raus!

Der 39 Jahre alte Politprofi Philipp Rösler sollte nach seiner Routinerede schon mal anfangen, sich zeitnah um seine Anschlussverwendung zu kümmern.

Wer aus dem Osten kommt, kennt diese Situation. Die Partei hat nicht recht, und im Grunde ist ihr Vorsitzender schon geliefert. Zuviel ist schief gelaufen in letzter Zeit, alle wissen das. Aber dann kommt irgendein elftes Plenum oder ein Parteitag, irgendeine Talking-Heads-Veranstaltung. Die Bürgerinnen und Bürger im Saal und vor den Bildschirmen erwarten Reformen, Ideen, irgendwas, was auf den letzten Metern einen Sturz verhindern könnte. Denn so ein Umschwung bringt auch jede Menge Unwägbarkeiten, politischen Trouble, Stress. Vielleicht wendet die Parteiführung das Chaos ja doch noch ab?

Aber dann tritt doch nur derselbe Obergenosse wie beim letzten und vorletzten Mal ans Mikrofon,und er hält einfach die selbe Rede, die er seit gefühlten Jahrzehnten hält: Die anderen sind doof, und ich habe recht. Und deshalb trage ich hier einfach noch einmal meine Gedanken vor, die ja hinlänglich bekannt sind. Aber was soll's, vielleicht verstehts ja heute jemand. Fertig! Und jetzt Applaus.

Bei Philipps Rösler Parteitagsrede war das so. Er schoss gegen die politischen Gegner, statt mal zu sagen, wo es für die FDP künftig langgehen soll. Und für die Bürger, die sie im Parlament vertritt. Nur durch Abgrenzung gegen die anderen entsteht kein Profil. Erst recht nicht in einer Situation höchster innerer und äußerer Gefahr. Unbeirrt spulte Rösler seine Textmodule ab – Gedankenfaulheit nennt man sowas.

Im Moment dieser Rede – dieser öffentlich demonstrierten Verweigerung der Wirklichkeit – fragt man sich, ob dem Vizekanzler noch keiner gesagt hat, was da draußen los ist. In der Partei. In der Gesellschaft. Dass die Leute lachen über die FDP, die er führen soll. Dass sich viele wünschen, dass dieser Partei wieder jemand Leben einhauchen würde. Nicht aus Mitleid mit ihm, sondern weil es schlecht für die Demokratie wäre, wenn die FDP mit ihren liberalen Grundwerten in der Bedeutungslosigkeit verschwände. Unvorstellbar, dass Philipp Rösler so wenig Ahnung hat. Es scheint anders zu sein: Dieser Parteivorsitzende möchte befreit werden. Von seiner Aufgabe, die er weder bewältigen kann noch wird.

Leid tun muss er einem nicht. Philipp Rösler hat kürzlich klargestellt, wie sehr er sich für seine Partei einzusetzen gedenkt. Mit 45 Jahren wolle er aus dem Politikbetrieb aussteigen. Anschließend wünsche er sich, die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung zu führen. Der 39 Jahre alte Politprofi hat sich also bereits über eine Anschlussverwendung mit Mitte vierzig Gedanken gemacht. Nach seiner Routinerede auf dem Parteitag in Karlsruhe sollte er schon mal anfangen, sich zeitnah zu kümmern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.