Feilscherei ums Bethanien

Bei der ersten Podiumsdiskussion über die Zukunft des Bethanien tauschten Bezirksamt und BesetzerInnen ihre Visionen aus. Immerhin einigten sie sich auf einen runden Tisch und ein Café für die Spieler der Straßenfußball-WM

Am Anfang mussten alle mit ihren Stühlen zusammenrücken – um sich rein akustisch zu verstehen. Später passten dann die HausbesetzerInnen aus dem Südflügel des Bethanien die Mikrofon-Anlage an den riesigen Raum der St.-Thomas-Kirche am Mariannenplatz an – und so funktionierte am Dienstagabend mit einer halben Stunde Verspätung zumindest die Technik.

Inhaltlich wurde bei der ersten öffentlichen Podiumsdiskussion über die „Zukunft des Bethanien“ zu Beginn noch einmal deutlich, wo die Gräben zwischen den verschiedenen Akteuren verlaufen. Vor gut 150 AnwohnerInnen und Interessierten referierten Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) und ihr Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD) zum wiederholten Male über ihre haushaltspolitische Zwangslage, die sie zum Verkauf des Bethanien zwinge. „Wenn mir jemand eine haushaltsneutrale Lösung aufzeigt, bin ich mit dabei“, sagte Postler. „So ein Haus kann man mit einem gemeinnützigen Verein stemmen“, hielt ihm Karin Baumert als Vertreterin von sozialen Initiativen und ehemalige grüne Baustadträtin von Mitte entgegen.

Doch Lösungsvorschläge kamen an diesem Abend von den zehn DiskussionsteilnehmerInnen auf dem Podium nur wenige. Wolfgang Lenk von der Initiative Zukunft Bethanien (IZB) betonte, das Konzept der Initiative sei ja gerade, eine Lösung mit den AnwohnerInnen zu entwickeln. Deshalb könnten sie nichts Fertiges präsentieren. Auch die VertreterInnen der drei etablierten Kulturprojekte im Bethanien und der zahlreichen Sozialprojekte in den Nebengebäuden des ehemaligen Krankenhauskomplexes hatten nichts Konkretes anzubieten. Noch suchen alle Beteiligten in informellen Gesprächskreisen nach Lösungen. In der Öffentlichkeit blieb es bei einem vorsichtigen Abtasten und der Hoffnung auf einen runden Tisch.

Ein weiteres brisantes Thema war die Streetfootball-WM 2006, die parallel zur „richtigen“ Fußball-Weltmeisterschaft auf dem Mariannenplatz stattfinden soll. Um die etwa 240 Spieler unterzubringen, möchte Bezirksbürgermeisterin Reinauer zumindest eine der besetzten Etagen des Hauses für vier Monate zurück. Zwar betonen die BesetzerInnen ihre Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen. Sie fragen sich aber auch, warum angesichts vieler in und um das Bethanien leer stehender Räume dafür ausgerechnet eine der von ihnen besetzten Etagen genutzt werden soll. Zumindest die Einrichtung eines Besetzer-Cafés für die Streetfootballer sicherten sie an dem Abend zu.

Deutlich wurde dabei auch, dass die BesetzerInnen die zuvor so schön übersichtliche Bezirkspolitik gehörig durcheinander gebracht haben. So betonte zum Beispiel der Kreuzberger SPD-Vertreter im Abgeordnetenhaus, Stefan Zackenfels, „die Verdienste der IZB und der Besetzer für das Bethanien“. Deutlich widersprach er seinem Parteikollegen Postler, der zuvor den Liegenschaftsfonds als neue Verwaltungsgesellschaft des Landes Berlin dargestellt hatte. Eine Übertragung des Bethanien einschließlich aller Nebengebäude an den Fonds bedeute auf jeden Fall den Versuch, diese zu verkaufen, so Zackenfels.

Runder Tisch im Januar

Einigen konnten sich alle Beteiligten am Dienstag auch auf die Einrichtung eines runden Tisches zur Zukunft des Bethanien. Aber auch wer sich daran beteiligen darf, war – und ist weiterhin – umstritten: Während Reinauer und Postler eher an eine Runde mit Experten dachten, forderte Claudia Kessel für die IZB einen „offenen runden Tisch“, der die AnwohnerInnen mit einbezieht. Sicher ist nur: Das Bezirksamt will den runden Tisch „zwar nicht mehr vor Weihnachten, aber baldmöglichst“ zusammenrufen, also wahrscheinlich Anfang kommenden Jahres.

CHRISTOPH VILLINGER