Public Viewing während der EM: Schwarz-Rot-Gold muss draußen bleiben

Der Elektroklub about blank am Ostkreuz zeigt die deutschen EM-Spiele. Fanutensilien und nationale Symbole sind dabei verboten.

Gnadenlos scheitern würden diese Fans am Türsteher des about blank. Bild: dpa

Es wird wieder geflaggt. Pünktlich zum ersten Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine wirkte auch Berlin wieder wie in Schwarz-Rot-Gold getunkt. Fahnen an den Autos, die Girlande in der Kneipe oder um den Hals, der Winkehandschuh oder der Außenspiegelüberzieher: Dank Jogis Jungs werden Heimatgefühle im öffentlichen Raum präsent geschmückt. Gut drei Wochen fiebert die Bevölkerung nicht nur mit diesem Team, sie ist auch ein bisschen stolz auf das Land, das sich locker gemacht hat und sich wieder selbst feiern darf.

Wer Deutschland immer noch nicht so dufte und Nationalismus nervig findet, der ist dieser Tage im about blank richtig. Bei der EM-Premiere des deutschen Teams am Samstagabend lud der Klub zum „trachten- und hymnenfreien Herrenfußballgucken im antinationalen Ambiente“. Im idyllischen Gärtchen der linken Elektrolocation kann man die Spiele der deutschen Mannschaft und alle Partien ab dem Viertelfinale auf einer großen Leinwand schauen – das Ganze ohne Flaggen und nationale Symbolik.

„Ich weiß nur, dass ich gegen Deutschland bin“, sagt ein knapp dreißigjähriger Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Fußball ist immer auch politisch, und ich will nicht, dass die EM positive patriotische Gefühle hervorruft.“ Tini, eine weitere von etwa 250 BesucherInnen beim Public Viewing am Samstag, ist nicht unvoreingenommen hergekommen: „Ich hatte befürchtet, dass es ein bisschen verkrampft wird, aber dem ist ja nicht so“, sagt sie. In der Tat, auch wer sich über das 1:0 des deutschen Teams gegen Portugal freut, wird nicht schräg angeguckt. Die meisten Zuschauer sind für das Team um Özil und Schweinsteiger.

Das Fußballgucken unterscheidet sich aber erheblich vom Flair der Eckkneipen. Während der Nationalhymnen wird der Ton heruntergedreht, statt Einigkeit und Recht und Freiheit läuft flauschiger Elektropop. Als das Spiel dann läuft, wird das Spiel von den Zuschauern konzentriert verfolgt. „Ich finde es angenehm, Fußball hier ohne das Prollige und das Rumgegröle gucken zu können“, sagt Philipp, der in den hinteren Reihen nahe der Bar steht. „Woanders ist es laut und knackevoll, hier geht’s schon ruhiger zu.“

Für den anonymen Deutschlandhasser ein paar Meter weiter ist die Sache eindeutig: „Vorrundenaus, ganz klar“, sagt er, auf die Wünsche für den Turnierverlauf des deutschen Teams angesprochen. „Ich gucke hier, weil ich mit Iros in Nationalfarben oder sonstigem Deutschlandwahn nichts zu tun haben möchte“, sagt er. Er finde es problematisch, wenn die sportlichen Erfolge der Mannschaft identitätsstiftend für viele Leute werden. „Das sind zum Teil Leute, die nix auf die Kette kriegen und für überhaupt nichts stehen“, sagt er, „und die sich dann auf ihre Nation etwas einbilden.“

Eine ironiefreie Zone für Dogmatiker ist dieser Abend aber nicht: lautes Lachen, wenn auf dem Bildschirm vom nationalen „wir“ die Rede ist oder eine schwarz-rot-gold Gekränzte und Geschminkte direkt in die Kamera brüllt. Für Erheiterung sorgt auch immer wieder der ARD-Kommentator. Sein langgezogenes „Rrrroar“, mit dem er die Chancen des deutschen Teams phonetisch begleitet, findet in den Reihen viele Nachahmer.

Die Veranstalter wollen ihre Art der EM-Übertragung lieber unkommentiert stehen lassen. „Wir geben keine Interviews dazu“, sagt einer. Bekannt ist nur, dass es das antinationale Public Viewing hier auch schon zur WM 2010 gab und Fahnen, Schminke sowie nationale Insignien nicht nur verpönt, sondern sogar verboten sind.

So viel Strenge hier mitunter herrscht, so entspannt ist die Atmosphäre beim Schauen. Michael, ein Mittzwanziger, freut sich sehr, hier gucken zu können. „Generell find ich’s aber schwer, die Grenze zwischen Fansein und Patriotismus exakt zu ziehen“, sagt er. Freundin Tini ergänzt: „Ich würde auch nicht sagen, dass jede Deutschlandfahne jetzt per se schlimm ist.“

Beim Verlassen des Klubs nahe dem Ostkreuz schlandet man aber schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Hier wird der 1:0-Erfolg anders gefeiert. „Wer nicht fickt, ist kein Deutscher“, grölt ein junger Mann in Deutschlandtrikot. Eine bessere Werbung als ihn kann es für den Garten des about blank kaum geben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.