Kommentar Meldegesetz: Spaßguerilla Schwarz-Gelb

Neuerdings distanziert sich die Regierung von Gesetzen, die Union und FDP im Bundestag beschlossen haben. Das wäre lustig, wenn Wahlkampf herrschte und Ablösung in Sicht wäre.

Die schwarz-gelbe Spaßguerilla ist leider noch nicht fertig mit dem Gesetzemachen. Bild: kallejipp / photocase.com

So war das mit der Gewaltenteilung aber nicht gemeint. Die schwarz-gelbe Koalition hat ja schon mit mancher Inkonsistenz überrascht. Neuerdings jedoch distanziert sich die Regierung sogar von Gesetzen, die Union und FDP eben erst im Bundestag beschlossen haben. So bittet das Kabinett jetzt ganz offiziell darum, dass das schwarz-gelbe Meldegesetz im Bundesrat wieder gestoppt werde. Die unionsgeführten Länder versprechen prompt ihre Unterstützung.

Das wäre alles bloß lustig und gar nicht so schlimm, wenn die schwarz-gelbe Spaßguerilla schon fertig wäre mit dem Gesetzemachen, nur noch Wahlkampf herrschte und Ablösung in Sicht wäre. Doch werden eine handlungsfähige Regierung und ein zurechnungsfähiger Bundestag ja noch gebraucht. Finanz- und Eurokrise gefährden Wirtschaft und Gemeinwohl, und das Bundesverfassungsgericht wird der Politik in dieser Woche auch keine kompletten Gesetzentwürfe zu ihrer Bewältigung faxen.

Mindestens bei CSU und FDP aber steht offensichtlich niemand mehr bereit, sich ausreichend auf die Arbeit zu konzentrieren. Seehofer droht wöchentlich mit Koalitionsbruch. FDP-Parteichef Philipp Röslers Verhalten ist nur mehr als hilflos zu bezeichnen. Bei der Abstimmung über Eurorettungsschirm und Fiskalpakt Ende Juni im Bundestag gab es bei Union und FDP mehr Abweichlerstimmen als bei SPD und Grünen.

Originellerweise scheint all dies niemand der Bundeskanzlerin vorzuwerfen, Stichwort „Führungsversagen“. Vielmehr steigen Angela Merkels Beliebtheitswerte wieder – womöglich aus Mitleid darüber, dass sie alles ganz allein machen muss. Beziehungsweise mit der Opposition.

Und was macht die? SPD und Grüne konkurrieren darum, wer staatstragender ist. Man übt sich in der Rolle der Nichtchaoten. Das aber verwirrt die schwierige Diskussion über die Eurokrise noch zusätzlich. Es gibt im Parlament gar keinen Ort für sachliche und nicht bloß taktische Kritik mehr, wenn das Regierungslager chaotisiert und die Opposition in Quasiregierung und linkes Prinzipielldagegen zerfällt. Ausgerechnet dann, wenn demokratisch eingespielte Verfahren dringend benötigt werden, unterlaufen unsere Problemlöser sie nach Kräften. Für die Suche nach dem besten aller schlechten Wege aus der Eurokrise verheißt das nichts Gutes.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

Das finden Sie gut? Bereits 5 Euro monatlich helfen, taz.de auch weiterhin frei zugänglich zu halten. Für alle.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.