Kampf gegen die Todesstrafe: Das Medikament, das töten soll

Die Gifte, mit denen Gefängnisse in den USA hinrichten, werden knapp. Ein Bundesstaat will nun umsteigen: auf ein deutsches Narkosemittel

33 Bundesstaaten der USA töten, um zu strafen. Die meisten von ihnen verwenden dafür Chemikalien. Bild: imago

Maya Foa versucht nicht weniger, als die Todesstrafe in den USA von Europa aus zu stoppen. Die Chancen für die Aktivistin standen selten so gut. Foa, 28 Jahre alt, arbeitet für die Londoner Organisation Reprieve, die sich für die Abschaffung von Hinrichtungen einsetzt.

Sie hat mit ihrer Lobbyarbeit bei den EU-Gremien in Brüssel dazu beigetragen, dass die Europäische Union eine Exportkonrolle für das Mittel Thiopental einführte. Damit hat sie den Engpass der amerikanischen Gefängnisse verschärft, die kaum noch Lieferanten für ihre Hinrichtungsgifte finden. Jetzt will Foa verhindern, dass der US-Bundesstaat Missouri ein Mittel einsetzt, das bisher in den USA noch nie verwendet wurde. Propofol, das Beruhigungsmedikament, das den Popstar Michael Jackson getötet hat.

Im Todestrakt des Potosi Correctional Center in Missouri sitzt David Zink, der 2004 zum Tode verurteilt worden war, weil er eine 19 Jahre alte Frau vergewaltigt und ermordet hat. Er hat mehrfach Berufung gegen das Urteil eingelegt, vergeblich. Der Generalstaatsanwalt von Missouri fordert, dass Zink und mehrere andere Häftlinge nun endlich hingerichtet werden.

Eine Chemikalie, die noch nie verwendet wurde, um einen Menschen hinzurichten? Wer sie einfach so ausprobiert, begeht eine Art Menschenversuch. Aber wie soll man ihre Wirkung beim Töten testen, ohne zu töten? David Zink und 20 weitere Insassen haben dagegen geklagt, dass sie mit Propofol hingerichtet werden sollen.

Zynismus lässt sich wohl nicht vermeiden

„Man kann Michael Jackson ja nicht als einen Test betrachten“, sagt Richard Dieter, der Leiter des Death Penalty Information Center in Washington. Sein Zentrum gibt es seit 1990. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema, in manchen Momenten mag ihn das ein wenig zynisch machen.

In Missouri könnte sich die Zukunft der Todesstrafe in den USA entscheiden. Wenn die Richter Propofol genehmigen und die erste Hinrichtung gelingt, wären die Versorgungsschwierigkeiten erst einmal gelöst. Vielleicht würden andere Staaten folgen.

Wenn die Richter Propofol aber nicht zulassen, sagt Dieter, oder wenn der Staat gar nicht an das Gift kommt, könnte die Unterstützung für die Todesstrafe weiter schwinden. In vielen US-Staaten wird gerade über ihre Kosten diskutiert. Ein Todeskandidat kostet den Staat offiziellen Untersuchungen zufolge dreimal so viel wie ein Häftling, der zu einer lebenslangen Strafe verurteilt wurde.

In Kalifornien, dem Staat mit den meisten Insassen im Todestrakt, sind die Kosten ein zentrales Argument, wenn im November über einen Antrag zur Abschaffung der Todesstrafe abgestimmt wird. Was die Todesstrafe teuer macht, sind die Berufungsverfahren, all die Gerichtsgebühren.

Die Aktivistin fährt zum Pharmakonzern

Eine einzige Firma beliefert die USA derzeit mit Propofol: Fresenius Kabi, eine Tochterfirma des deutschen Konzerns Fresenius mit Sitz in Bad Homburg im Taunus. Der US-Konkurrent Hospira musste die Herstellung im Frühjahr wegen Produktionsschwierigkeiten einstellen.

Maya Foa schreibt Briefe: an Fresenius Kabi, an den britischen Wirtschaftsminister und an die Europäische Kommission. Ihr Ziel: den Verkauf des Mittels an US-Gefängnisse verhindern. Fresenius antwortet zuerst. Am 19. Juni fliegt Maya Foa gemeinsam mit ihrem Chef nach Bad Homburg. Der Chef von Fresenius Kabi persönlich hat sie eingeladen. Das Treffen dauert eineinhalb Stunden.

Es gibt Baguette mit Tomate und Mozzarella, sie sitzen an einem Konferenztisch. Riesig sei der gewesen, sagt Foa. Sie erklärt den Herren in Anzug und Krawatte, wie der Pharmakonkurrent Lundbeck den Vertrieb für sein Mittel Pentobarbital, das mehrere US-Staaten zur Hinrichtung verwenden, so umgestellt hat, dass er sich kontrollieren lässt. Ihr ist klar, dass es bei Fresenius nicht so einfach sein wird. Fü̈r den US-Markt produziert Fresenius Kabi Propofol unter anderem in Schweden. Es kommt in den USA etwa 50 Millionen Mal jährlich zum Einsatz. Das ist pro Tag dreimal so oft wie das Lundbeck-Medikament Pentobarbital im ganzen Jahr. Aber Maya Foa lässt nicht locker. Sie gehört jetzt einer Expertengruppe an, die die EU-Kommission berät.

Am Montag dieser Woche antwortet Catherine Ashton, Vizechefin der Kommission, einer Parlamentarierin auf eine Anfrage. „Die Kommission wird die Entwicklung in Bezug auf die tatsächliche Lieferung von Propofol durch Hersteller oder Händler der EU an ausländische Behörden, die mit Hinrichtungen beauftragt sind, aufmerksam verfolgen“, schreibt sie. Man werde eine Ä̈nderung der entsprechenden Liste „vorschlagen, um alle Ausfuhren von Propofol kontrollieren zu können, sollte sich die Verwendung des Arzneimittels für Hinrichtungszwecke bestätigen“. Wird also wirklich mit Propofol getötet, will die Kommission aktiv werden.

Was die deutsche Firma Fresenius Kabi zu ihrer Verantwortung sagt, wie genau Maya Foa in Brüssel und Mumbai die Gift-Kanäle der US-Gefängnisse blockiert und warum der Fall David Zink zeigt, dass die Stimmung in den USA sich noch lange nicht gegen die Todesstrafe gewendet hat, lesen Sie in der sonntaz vom 1./2. September 2012. Am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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