Schlechte Aussichten

FUSSBALL Union verliert das Derby gegen Energie Cottbus – und vergibt damit wohl auch die Chance, auf dem Relegationsplatz um den Aufstieg zu spielen

Mit nass geschwitztem Trikot versuchte Christian Stuff zu erklären, was kaum erklärbar war. Mit 1:2 hat Union am Samstag das Fußball-Derby in der 2. Bundesliga bei Energie Cottbus verloren und damit wohl auch den Kampf um den 3. Tabellenplatz, der am Saisonende zu Aufstiegsspielen in die Bundesliga berechtigt. Und das, obwohl die Berliner nach dem Platzverweis für den Cottbuser Alexander Bittroff fast eine Stunde lang in numerischer Überzahl spielten und die Gäste über 70 Prozent Ballbesitz hatten – ein Barcelona-Wert. „Wir haben das Rezept nicht gefunden“, klagte Unions Abwehrchef.

Trainer Uwe Neuhaus nahm seine Eisernen-Elf in Schutz. „Es ist nicht einfach, gegen zehn Mann zu spielen“, sagte der Union-Coach mit Verweis auf die überaus defensiv agierenden Brandenburger. Stuffs Abwehrkollege Björn Kopplin war trotzdem bedient: „Wenn wir um Platz drei mitspielen wollen, dann muss mehr kommen.“

Was nützte Union vor 14.212 Zuschauern in der Lausitz die Überlegenheit in puncto Ballbesitz gegen Energies Energie und Effizienz? Wenn es um das Wesentliche ging, den erfolgreichen Torabschluss, hatte Cottbus die Nase vorn. Daniel Adlung besorgte nach 14 Spielminuten die Energie-Führung. Boubacar Sanogo erzielte mit einem Kopfstoß den 2:1-Siegtreffer (68.). Zwischenzeitlich konnte Unions Kapitän Torsten Mattuschka per Foulelfmeter zum 1:1 ausgleichen (38.). Dem Strafstoß war Alexander Bittroffs Foul gegen Eisernen-Stürmer Nemec vorausgegangen, der zum Ausschluss des Sünders führte.

Die Wucht, mit der der Ivorer Sanogo das Spielgerät zum Siegtor im Berliner Tornetz versenkte, imponierte auch Neuhaus. „Die Vehemenz, mit der er den Ball über die Linie drückt, ist genau das, was uns fehlt“, analysierte der Gästecoach. So viel Zielstrebigkeit und Tatkraft hätte Neuhaus gern von seinen Spielern gesehen. Auch von Unions einzigem Torschütze im Berlin-Brandenburg-Derby, Torsten Mattuschka.

Mattuschka vergab nur zwei Minuten nach Sanogos Treffer die Möglichkeit zum Remis, als er den Ball an den Pfosten des Energie-Torgehäuses schoss, obwohl er nur noch hätte einschieben müssen. Zuvor war bereits sein Teamkollege Björn Jopek am Aluminiumrahmen des Cottbuser Tors gescheitert (48.). Die über 4.000 mitgereisten Eisernen-Fans, die stimmlich dem Heimanhang weitgehend überlegen waren, rauften sich die unter dicken Wintermützen versteckten Haare.

Kein Killerinstinkt

Neuhaus kreidete seiner Mannschaft in drastischen Worten den schlampigen Umgang mit den sich bietenden Torchancen an: „Der Killerinstinkt fehlt, das Unbedingt-gewinnen-Wollen. Da müssen einfach mehr Tore bei rausspringen“, analysierte Unions Chefcoach.

So jedoch sind die Eisernen nach der selbst verschuldeten Niederlage erst mal in das Tabellen-Mittelfeld zurückgefallen. Ob nun noch was in Richtung Relegationsrang drei geht, wird die kommende Heimpartie am Freitag gegen FC St. Pauli zeigen. „Was wir heute verbockt haben, müssen wir gegen St. Pauli wiedergutmachen“, forderte Spielführer Mattuschka trotzig. Noch sind es für die Unioner nur fünf Zähler Rückstand auf den dritten Platz, Kaiserslautern kann aber heute weiter davonziehen.

Beim Derbysieger Cottbus, der Union vorerst die guten Karten im Kampf um den Relegationsplatz aus der Hand gerissen hat, stemmte sich Trainer Rudi Bommer verbal gegen den aufkommenden Erfolgsrausch. „Jetzt gehen wir ganz nüchtern in diese Woche und fahren so nach Duisburg.“ JÜRGEN SCHULZ