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Anti-Terror-Datei vor Gericht„Uns stört die weite Definition“

Der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland fordert mehr Kooperation von Polizei und Verfassungsschutz. Die Behörden müssten aber getrennt bleiben.

Bislang auf Papier: Akten zum Terror (soweit sie nicht geschreddert wurden). Bild: dapd
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Herr Wieland, das Bundesverfassungsgericht hat gestern über die gemeinsame Anti-Terror-Datei von Polizei und Verfassungsschutz verhandelt. Waren die Grünen für oder gegen dieses Datei?

Wolfgang Wieland: Wir haben 2006 im Bundestag dagegen gestimmt.

Vor wenigen Monaten hat der Bundestag zusätzlich eine gemeinsame Neonazi-Datei von Polizei und Verfassungsschutz beschlossen. Haben die Grünen dafür gestimmt?

dpa
Im Interview: Wolfgang Wieland

Der 64-Jährige ist seit 2005 Sprecher der Grünen im Bundestag für Innere Sicherheit. Beruflich ist er Rechtsanwalt.

Nein, auch dieses Gesetz haben wir abgelehnt.

Zugleich beschweren sich die Grünen, dass der Verfassungsschutz seine Informationen viel zu zögerlich mit der Polizei teilt. Wie passt das zusammen?

Wir sind für eine Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei, denn der Verfassungsschutz muss Informationen zur Strafverfolgung liefern und darf keine Straftäter schützen. Auch gemeinsame Dateien lehnen wir nicht rundweg ab, sondern wir haben „so nicht“ gesagt.

Was ist Ihre Hauptkritik?

Bei der Anti-Terror-Datei, die vor allem auf Islamisten zielt, störte uns zum Beispiel die weite Definition von Terrorismus, es genügt schon die bloße Befürwortung von Gewalt, um in der Datei zu landen.

Bei der Neonazi-Datei sind die Kriterien aber strenger …

Stimmt. Hier wird zumindest verlangt, dass jemand zur Gewalt aufruft. Doch die Einschränkung ist nicht viel wert, wenn zugleich die ganze rechte Szene als „Kontaktpersonen“ in der Datei landet.

Die NSU-Terroristen haben beim Untertauchen auch Hilfe von Leuten bekommen, die selbst nicht gewaltbereit waren …

Ich will jedenfalls nicht, dass alle Szeneanwälte in einer Terorrismusdatei landen. Das will ich bei linken Anwälten nicht, und deshalb kann es auch bei rechten Anwälten nicht richtig sein.

Ist die Trennung von Polizei und Geheimdiensten nicht überholt, wenn selbst die Grünen besseren Informationsfluss fordern?

Überhaupt nicht. Deutschland ist gut damit gefahren, dass der Verfassungsschutz niemand festnehmen und durchsuchen darf. Das soll so bleiben. Aber an mehr Kooperation führt kein Weg vorbei. Das hat die NSU-Mordserie gezeigt, wo der Verfassungsschutz zahlreiche Hinweise auf den Aufenthalt des untergetauchten Nazi-Trios hatte, die Relevanz aber selbst nicht erkannte und die Informationen nicht an die Polizei weitergab.

Wenn der Verfassungsschutz immer mehr in die Strafverfolgung eingespannt wird und die Polizei immer mehr im Vorfeld von Straftaten ermittelt – wozu braucht man dann noch unterschiedliche Behörden?

Natürlich gibt es stets Reibungsverluste, wenn getrennte Behörden zusammenarbeiten. Aber wenn es keinen Verfassungsschutz gäbe, dann würde sich die Polizei im Vorfeld von Straftaten noch mit viel mehr Legitimation als heute tummeln. Dann hätten wir eine Geheimpolizei par excellence. Das kann doch niemand wollen.

Ist die Beibehaltung des Verfassungsschutzes also eine bürgerrechtliche Forderung?

Die Aufteilung in Polizei und Verfassungsschutz dient der Machtbalance und ist vor allem vernünftig.

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1 Kommentar

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  • H
    Harro

    Es gab Zeiten, da hätte ein Wolfgang Wieland gar nicht in den NSU-Ausschuss gedurft, weil der Staat den Grünen jahreland misstraute. Damit unterband man dann Kontrolle und überhaupt, wer kontrolliert eigentlich den Verfassungsschutz?

    Die Parlamentarische Kontrollkommission und die Unterordnung der Behördenleiter unter die jeweiligen Innenminister - das ist eine theoretische Antwort, die heute nur noch eine Rechtfertigung ist.

     

    In Wirklichkeit kontrolliert niemand die Geheimdienste. Und diese Position nahm auch Volker Bouffier offensiv ein, als er es der Polizei untersagte, selbst streng vertraulich die V-Leute zu befragen, denen der berühmte Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Hessen zugeteilt war, der in Kassel am Tatort im Internetcafe von Halit Yozgat war.

     

    Bouffier war die Intransparenz wichtiger als eine wichtige Mordermittlung. Und Bouffier und den Verfassungsschutz konnte auch damals niemand kontrollieren oder überhaupt nachvollziehen, was in Kassel damals wann, wie und wo wirklich passiert.

     

    Fakt ist heute, dass nach Kassel das Morden abrupt endete. Ob der Verbindungsführer zur rechtsextremen Szene selber ein Neonazi war, ob er seine V-Leute informierte, die dann wieder die Szene warnten ... es wird nie ans Licht kommen.

     

    Also lassen wir das Gedröhn vom guten Verfassungsschutz und seinen fleißigen Beamten. Es ist eine abgeschottete, intransparente Truppe, die viel kostet und inzwischen gefährlich ist. Die will ich abschaffen. Polizei, Staatsanwaltschaft und eine gute wissenschaftliche Erforschung bringen mehr und müssen nicht im verborgenen, intransparent arbeiten.