Berlins Polizeiführung: Die vertane Chance

Am Dienstag wird Innensenator Henkel den neuen Polizeichef ernennen - und sich gegen Margarete Koppers entscheiden. Eine vergebene Chance.

Bild aus besseren Tagen: Margarete Koppers und Innensenator Frank Henkel (CDU) Bild: DPA

In Kürze wird Innensenator Frank Henkel (CDU) seine Entscheidung verkünden. Der Chefsessel der Hauptstadtpolizei war eineinhalb Jahre verwaist. So lange hat Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers die Geschäfte geführt. Viele würden die Juristin gern als Polizeipräsidentin sehen. Daraus wird nun nichts: Alles deutet darauf hin, dass wieder ein Mann an die Spitze der Berliner Polizei rückt.

Offiziell bestätigt ist es noch nicht. Nach taz-Informationen aber wird Henkel am Dienstag im Senat seine Entscheidung präsentieren: Der Präsident der Bundespolizei Berlin, Klaus Kandt, hat das Rennen gemacht. Der 52-Jährige hat von der Pieke auf Polizist gelernt und ist im Besitz eines CDU-Parteibuchs. Die ganz traditionelle Nummer also.

Schon zum Jahreswechsel hatte Henkel Kandt in einem Vieraugengespräch umworben. Wahrscheinlich stand die Entscheidung seither fest. Dass es zwischenzeitlich ein Bewerbungsverfahren gab, in dem fünf Kandidaten – darunter auch Koppers – zu Vorstellungsgesprächen eingeladen waren, änderte nichts. Gesiegt hat wieder einmal Klienteldenken und Parteienproporz. Berlin hatte die einmalige Chance, eine Polizeichefin zu bekommen – Henkel vertut sie.

Die Stelle des Polizeipräsidenten ist seit Juni 2011 vakant. Aufgrund von Formfehlern beim Auswahlverfahren hatte der frühere Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Posten nicht mit seinem Wunschkandidaten Udo Hansen (SPD) besetzen können.

Körtings Nachfolger, Frank Henkel (CDU), schrieb die Stelle im Mai 2012 neu aus. Fünf Bewerber wurden zu Auswahlgesprächen eingeladen.

Das Votum der Auswahlkommission liegt Henkel seit Montag vor. Es ist davon auszugehen, dass die abgelehnten Bewerber in den nächsten Tagen Nachricht bekommen. (plu)

Bis Ende der 70er Jahre war die Berliner Polizei eine absolute Männerfestung. Inzwischen beträgt der Frauenanteil 22 Prozent. Doch je höher es geht, desto dünner wird für sie die Luft. Auf der Führungsebene direkt unterhalb des Polizeichefs gibt es überhaupt keine Frau. Selbst die Springerpresse hat erkannt, dass die Zeit reif ist. Die BZ – Hauspostille der CDU – forderte zu Jahresbeginn: „Mann, gebt dieser Frau den Sheriff-Stern“. Eine Frau als oberste Ordnungshüterin – das wäre ein Signal für Offenheit und Vielfalt. „Mit Henkels Entscheidung für einen Mann ist die Berliner Gesellschaft nicht repräsentiert“, sagt der Parteienforscher Gero Neugebauer.

Doch was macht weiblichen Führungsstil aus? „Darunter wird in der Regel ein stärkeres Einfühlungsvermögen und Kommunikationsorientiertheit verstanden“, sagt Brigitta Sticher. Die Professorin unterrichtet an der Hochschule für Wirtschaft und Recht angehende Polizisten in Psychologie und Führungslehre. „Frau Koppers strahlt nach außen aus, dass sie stark kommunikativ orientiert ist“, sagt Sticher.

Offen, den Menschen zugewandt – mit Attributen wie diesen wird Koppers meist beschrieben, hört man sich in der Polizei um. Die 50-jährige Juristin ist eine Seiteneinsteigerin. Sie war Vizepräsidentin des Berliner Landgerichts, als sie der letzte Polizeipräsident Dieter Glietsch 2010 zu seiner Stellvertreterin machte.

Seit Glietschs Pensionierung im Juni 2011 führt sie die 22.000 Mitarbeiter zählende Behörde kommissarisch. So lange dauert nun schon die Suche nach einer neuen Polizeiführung. Das erste Auswahlverfahren, das noch der frühere SPD-Innensenator Ehrhart Körting initiiert hatte, war wegen Formfehlern gescheitert.

Symbolwirkung für andere

Koppers ist eine Anhängerin der liberalen Linie von Dieter Glietsch. In ihrem Führungsstil unterscheidet sie sich aber fundamental von ihrem kühl wirkenden Vorgänger. Ein Beamter erinnert sich gern an Koppers Besuch auf seinem Polizeiabschnitt. „Sie hat sich nach unserem persönlichen Werdegang erkundigt.“ Koppers habe bei dem Besuch authentisch und glaubhaft gewirkt. „Man nimmt es ihr ab, wenn sie sagt, sie sei für jeden zu sprechen.“

Dieser Text ist Teil des aktuellen Schwerpunkts der neuen taz.berlin-Wochenendausgabe. Sie erscheint zum dritten Mal am 17. November und bietet auf zwölf Seiten Recherche, Interviews, Meinung, Kolumnen und viel Kultur.

Das Schwerpunktthema "1 Jahr Rot-Schwarz" verhandelt die Lage der Regierungsparteien SPD und CDU nach einem Jahr Koalition - und die potentiellen Nachrücker der angeschlagenen Spitzen Klaus Wowereit und Frank Henkel: Dilek Kolat bei den Sozialdemokraten und Mario Czaja bei der CDU.

Zudem im neuen Wochenendteil der taz.berlin unter anderem:

- Interview mit Katrin Schell, Trauerrednerin

- ein Proträt des Schauspielers Peter Kurth, der jetzt als "Bahnwärter Thiel" auf der Bühne des Gorki-Theaters steht

- der vierteilige Wochenrückblick

In einem Interview im stern äußerte sich Koppers im März zu den Aufstiegschancen von Frauen. „Mein Problem ist, dass ich Frauen erst mal motivieren muss, überhaupt Karriere in der Polizei zu machen.“ Eine Frau an der Spitze der Berliner Polizei könne eine Symbolwirkung haben, bestätigt Professorin Sticher. „Es wäre ein Signal, dass hohe Führungspositionen auch für Frauen zugänglich sind.“

In dem streng hierarchisch, zum Teil fast militärisch organisierten Polizeiapparat sei Koppers eine Art „Lichtgestalt“, sagt ein Beamter. Ihr Blickwinkel als Juristin tue der Behörde gut. „Gleichzeitig spürt man ihre Wertschätzung, dass sie sich mit der Polizei identifiziert“, sagt der Beamte.

Lobende Worte gibt es auch von Gewerkschaftsseite. „Sie führt. Und sie ist konsequent“, sagte der Geschäftsführer Klaus Eisenreich im Sommer. Das Entscheidende aber sei: „Mit ihr kann man reden. Nicht mauscheln, nein. Sie setzt sich hin, zu jeder Tages- und Nachtzeit.“ Das bestätigen auch die Personalräte und der Gesamtpersonalratsvorsitzende Karl-Heinz Dropmann.

Zu Koppers Markenzeichen gehört, dass sie Fehler offen eingesteht und ungeschminkt ihre Meinung sagt – auch gegenüber ihrem Vorgesetzten. Sie ist parteilos und verhält sich auch so. Als die CDU in den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2011 forderte, die gerade erst eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizisten zu kippen, trat Koppers in einem taz-Interview vehement für diese ein. Die Kennzeichnungspflicht blieb.

Fehlender Stallgeruch

Keine Frage: „Everybody’s Darling“ ist diese Frau nicht, schon gar nicht bei der CDU. Es hat Zeiten gegeben, da schien dies anders. Bei öffentlichen Auftritten wirkten Koppers und Henkel so, als passe zwischen sie kein Blatt. Sie tuschelten und kicherten und wurden in der Polizei schon nach der Zeichentrickserie „Susi und Strolch“ genannt.

Dann kam der 1. Mai. Polizisten fanden bei einer Demonstration drei vermeintliche Rohrbomben. Koppers wurde zum Vorwurf gemacht, Henkel, Parlament und Öffentlichkeit nicht frühzeitig von den Funden informiert zu haben. Die Bomben erwiesen sich als harmlos.

Es folgte die Affäre um den V-Mann Thomas S. Eigentlich wäre es Aufgabe des Innensenators gewesen, den NSU-Untersuchungsausschuss über den Vorgang zu unterrichten. Henkel indes gab Koppers die Schuld, dass dies nicht geschehen war.

In der Polizei gibt es Stimmen, die meinen, man muss eine Polizeilaufbahn hinter sich haben und jahrelang Streifenwagen gefahren sein, um die Behörde leiten zu können. Koppers fehle der Stallgeruch, heißt es. „Sie hat den Laden ruhiggehalten, stimmt. Aber abgesehen davon, dass sie mit dem Fahrrad zum Dienst kommt – was macht sie denn anders?“, fragt einer.

Von Journalisten zur Rede gestellt, hat Koppers vorletzte Woche Mutmaßungen über mögliche Gründe angestellt, die gegen ihre Ernennung zur Polizeichefin sprechen könnten. Es könne sein, dass ihr auf politischer Ebene mit Misstrauen begegnet werde. Schließlich sei sie unter der rot-roten Vorgängerregierung ins Amt gekommen und habe kein Parteibuch. Die CDU-Fraktion reagierte empört. Den Vorwurf der Parteilichkeit will man nicht auf sich sitzen lassen. Henkel forderte die Vizepräsidentin auf, sich schriftlich zu erklären.

Geschickter wäre es gewesen, Margarete Koppers hätte dieses Mal geschwiegen. Nun steht sie als schlechte Verliererin da. Inhaltlich indes gibt es keinen Grund, etwas von dem Gesagten zurückzunehmen. „Parteien besetzen wichtige Verwaltungspositionen in der Regel mit parteinahen Leuten“, sagt der Parteienforscher Neugebauer. „Wer das nicht wahrhaben will, leugnet die Wirklichkeit.“

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