: „Kunst des Wegtauchens“
ERINNERUNG Der KPDler Hermann Prüser hielt am 10. März 1933 die letzte freie Rede in der Bürgerschaft
■ 76, war von 1978 bis 2002 Professor für Weiterbildung an der Uni Bremen. Er leitet die Reihe „Dämmerstunde – über Vergessenes und Verdrängtes“ zu Bremen vor 80 Jahren.
taz: Herr Wollenberg, die Nazis konnten im März 1933 auch in der Arbeiterhochburg Bremen die Macht übernehmen. Gab es keinen Widerstand?
Schon vor 1933 kam es zu Massen-Auseinandersetzungen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Bremen. Man kann nicht davon sprechen, dass die Nazis kampflos zur Macht gekommen wären.
Dennoch löste die Bürgerschaft sich am 10. März 1933 selbst auf.
Hermann Prüser hielt als Bürgerschaftsabgeordneter der KPD am 10. März die letzte freie Rede. Die war sehr mutig und machte deutlich, dass auch die Kommunistische Partei sah, dass dieses alte System doch gegenüber rechts zu verteidigen war. Es rief dazu auf, die Mandate nicht aufzugeben, zu kämpfen und endete mit den Worten: „Ihr werdet uns nicht vernichten.“
Wie verhielt sich die SPD?
Vor Prüser sprach Emil Theil, der Fraktionsvorsitzende der SPD. Er sagte, die SPD würde vor der Gewalt weichen und bei den nächsten Wahlen im April wieder die Mehrheit erringen.
Die NSDAP hatte allerdings bei den Reichstagswahlen am 5. März in Bremen 32,5 Prozent erhalten.
KPD und SPD hatten zusammen mehr Stimmen, in den Arbeiterstadtteilen gab es für sie die absolute Mehrheit. Die Nazis schnitten in bürgerlichen Vierteln, wie Schwachhausen, am besten ab. Bremen war gespalten. Im Grunde kamen die Nazis in Bremen nur zur Macht, weil die Deutsch-Nationale Volkspartei die Nazis unterstützte und die SPD-Senatoren freiwillig zurücktraten.
Nehmen Sie die SPD nicht zu stark ins Visier?
Sie war die größte Partei und sie wusste, was die Machtübernahme bedeutete. Schon zuvor wurden Sozialdemokraten durch die Nazis getötet. Trotzdem übte man die ‚Kunst des Wegtauchens‘, wie Willy Brandt es später nannte. Die Kommunisten hingegen schätzten die Gefahr falsch ein, kämpften mit offenem Visier. Viele landeten schon im März KZ. Der Anpassungs-Kurs hat der SPD allerdings auch nicht geholfen, auch viele ihrer Führer landeten im KZ.
Die Betonung des Widerstands ist Ihnen wichtig.
Es ist wichtig für jede Situation, in der Rechtsradikale oder Diktatoren erstarken, inwieweit Demokraten bereit sind, sich nicht anzupassen. Dazu kann man von den Zeitzeugen aus der Vergangenheit lernen, die 1933 für die Rettung der Republik gekämpft haben. Und die kommen bei der Veranstaltung zu Wort. Interview:jpb
Lesung und Filmvortrag: 17 Uhr, DGB-Haus, Bahnhofsvorplatz 22