Wirtschaftsförderung: Berlin wie es boomt und wächst
"Berlin Partner" stellt die Bilanz für das Jahr 2012 vor. Demnach könnte es in der Hauptstadt kaum besser laufen. Die Realität sieht anders aus.
Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner hat am Mittwoch ihre Bilanz für das Jahr 2012 vorgestellt. Dem Bericht zufolge seien bei ihren Kooperationspartnern mehr als 5.300 Arbeitsplätze neu entstanden. 282,9 Millionen Euro sollen die Unternehmen in der Stadt investiert haben. „Wir sind sehr stolz auf das Ergebnis“, sagte Geschäftsführerin Melanie Bähr.
Trotzdem sei der Anstieg bei den Arbeitsplätzen 2012 schwächer als im Vorjahr ausgefallen. Da zeigte Berlin Partner noch knapp 7.000 neue Jobs an.
Das gibt Melanie Bähr aber keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil, folgt man ihren Ausführungen, könne es – dank Berlin Partner – um die Stadt kaum besser stehen. Auch für 2013 bleibt sie optimistisch: „Wir glauben, dass wir das Ergebnis von 2012 halten können.“ Berlin verfüge zudem über ein im deutschen und europäischen Vergleich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Die Wirtschaftskrise, die langsam auch Deutschland erreicht, scheint denkbar fern.
Allerdings ist das Bild der Berliner Wirtschaft ganz genau betrachtet weitaus weniger rosig, als es Bähr mit viel Business-Sprech verkaufen möchte: Drei Viertel der 2012 von Berlin Partner registrierten neu geschaffenen Arbeitsplätze finden sich in Bereichen, in denen prekäre und gering bezahlte Beschäftigung besonders häufig ist. Dazu zählen vor allem der Dienstleistungssektor, die Kreativ- und Medienwirtschaft oder die Logistik. Das Unternehmen Amazon zum Beispiel, das viele Menschen auf Niedriglohnbasis beschäftigt, sei nach wie vor einer der wichtigsten Arbeitgeber Berlins, sagt Berlin Partner. Auch Zalando, der Schuhversand, dessen schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen durch intensive Medienberichterstattung publik wurden, expandiert weiter in Berlin.
Besonders zufrieden verweist Berlin Partner auf das Wachstum der Gesundheitswirtschaft. Diese umfasst aber nicht nur den Forschungs- und Technologiebereich, sondern auch den oft miserabel bezahlten Sozial- und Pflegesektor.
Ähnlich ist die Lage im IT-Bereich. Hier fällt Berlin Partner die klare Trennung zwischen den Unternehmensarten schwer: Die Bandbreite des Sektors kann von der Spitzenforschung über prekäre Selbständigkeit bis zu niedrigst entlohnter Arbeit im Dienstleistungsbereich reichen.
Eines der großen Unternehmen, das sein Kommen nach Berlin bereits angekündigt hat, ist der Energiekonzern Eon. Dieser wird in der Hauptstadt einen Standort eröffnen – natürlich im Dienstleistungsbereich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug