Debatte über Ästhetik-Fonds: Reflexionsinsel-Hopping

Beharrlich wirbt Adrienne Goehler für einen Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit: Das regt die Diskussion an – ohne ihr einen Fokus zu geben.

Nachhaltig? 50 Stunden arbeiteten Studierende an der "Linie des Lebens" in der Kunsthalle. Bild: dpa

Bremen ist nur eine Station. Für ihr Projekt einen „Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit“ einzurichten, tingelt Adrienne Goehler seit mehreren Jahren durch die Lande, „ich putze Klinken“, nennt die ehemalige Berliner Kultursenatorin und spätere Chefin des Hauptstadt-Kulturfonds das. Ein erster Entwurf des Konzepts stammt von 2006, seit 2011 liegt es als Download bei der Heinrich Böll-Stiftung.

Den Fonds gibt es noch immer nicht. Aber Goehler verfolgt das Projekt weiter: Diesmal ist sie auch anlässlich der Ausstellung des Nachhaltigkeits-Pioniers Friedensreich Hundertwasser in der Stadt. Am Abend hat sie mit Umweltsenator Joachim Lohse und Kunsthallendirektor Christoph Grunenberg über dessen Öko-Kunstansatz gesprochen.

Mehr eine Arbeitssitzung war ihr Auftritt in der Bürgerschaft, bei dem sie für ihr Projekt warb Kunst, oder weitergefasst, Ästhetik und Nachhaltigkeit zusammen zu bringen, oder besser: zusammen zu denken. Und so den „durch Sonntagsreden vernutzten Begriff der Nachhaltigkeit“, so Goehler, „ästhetisch aufzuladen.“

Das ist ein wichtiges, aber auch schwieriges Unterfangen. Denn, wie es vernutzte Begriffe so an sich haben: Sie können alles bedeuten. So findet der Kulturpolitiker Carsten Werner (Grüne), der Goehler als Referentin eingeladen hatte, es gehe dabei um „eine Identifikation mit der gebauten Stadt, die Vandalismus, Vermüllung und Vereinzelung vorbeugt“ – was auch in einem CDU-Stadtteilwahlprogramm stehen könnte. Zugleich versucht Werner Nachhaltigkeit auch als „gesellschaftlich vielfältige integrierte Stadt- und Quartiersentwicklung und soziale Stadt“ zu bestimmen.

Ein anderer Diskutant erinnert daran, dass er sein Schaufenster von einer Künstlerin dekorieren lässt, was er als nachhaltig ansieht. Und der nächste findet die Studierenden-Konzerte der Hochschule für Künste schön, „das ist die am meisten unterbewertete kulturelle Veranstaltung in der Stadt“, sagt er. Möglicherweise hat er recht.

Ein Problem, aber auch eine Chance der Diskussion ist: Dass Goehler diese Definitionsarbeit selbst nicht geleistet hat, „weil jeder eine Vorstellung davon im Kopfe hat“, begründet sie. Gemeint sei vor allem „im ursprünglichen Sinn“. Naja. Laut Grimm’schem Wörterbuch heißt der„auf längere zeit anhaltend und wirkend“: Das passt auch zu einem ganz traditionellen Kunstbegriff. Der Diskussion fehlt insofern ein gemeinsamer Fokus. Stattdessen hat Goehler aber auf so etwas wie Denkinseln hingewiesen, Punkte, die zu einem Konzept der Nachhaltigkeit dazugehören müssten: Fachübergreifendes Denken gehört dazu, vor allem aber die Aufgabe behördlicher Ressortgrenzen etwa gehört dazu, weil er einer Kunst entspräche, die längst auch neben und durch die Produktion von Sinn soziale, therapeutische und didaktische Aufgaben zugewiesen bekommen hat – „ohne dass dafür ihre Etats gestiegen wären“.

Dass angesichts dessen eine Vielzahl gut ausgebildeter Kreativer, die ohne Stelle und ohne Auskommen prekär dahinkrepeln nennt sie „ökonomisch plemplem“.

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