: Mädchentraum vom Zeitspringen
ROMANTASY „Rubinrot“ von Felix Fuchssteiner ist der ersten Teil einer Bestseller-Trilogie, in der die junge Heldin sich in andere Epochen versetzten kann. Die Mischung aus Romanze und Fantasy wirkt wie eine deutsche Antwort auf die “Twilight“-Produktkette
VON WILFRIED HIPPEN
Ja, es geht um Zeitreisen, Geheimgesellschaften, eine durch und durch moderne Heldin, deren beste Freundin alles mögliche mit einem Computer anfangen kann, aber im Kern wird hier die gute alte Geschichte vom hässlichen Entlein erzählt. Dabei ist dieses Fantasy-Epos maßgeschneidert für ein junges weibliches Publikum. Die Heldin Gwendolyn ist zuerst die von oben herab behandelte arme Verwandte, deren Cousine Charlotte als die kommende Heldin des Clans gefeiert wird, denn es wird als selbstverständlich angenommen, dass Charlotte das äußerst seltene Talent der Familie geerbt hat. Die vermeintlich Höherstehende ist dann auch so arrogant und unsympathisch, dass sich wohl jeder weibliche Teenager, der in der Hackordnung ihrer Schulkameradinnen nicht ganz oben steht, sofort mit Gwendolyn identifizieren wird. Dass diese die eigentliche Heldin und Begabte ist, wird dann ebenso vorhersehbar wie wirkungsvoll erzählt und inszeniert.
Davon abgesehen ist die Exposition allerdings etwas holprig. Zu viel Personal, zu viele Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren, vor allem aber zu viele Eigenschaften und Gesetze dieser fantastischen Erzählwelt müssen da komprimiert dargestellt werden. Natürlich gehen die Filmemacher davon aus, dass die meisten Zuschauerinnen die Bestseller von Kerstin Gier gelesen haben, auf denen dieser Film als erster von dreien basiert. Aber der Film braucht dennoch eine Weile, bis er ins Fließen kommt. Die Grundidee der Geschichte besteht darin, dass Zeitreisen möglich sind und Gwendolyn ein Gen hat, das ihr Zeitreisen ermöglicht. So können sich die Autorinnen (Katharina Schöde schrieb das Drehbuch) und der Regisseur Felix Fuchssteiner in den verschiedensten Zeitaltern austoben.
Diese Zeitsprünge werden im Film als Risse in der normalen Welt inszeniert, durch die die Heldin jeweils hochdramatisch in eine andere Zeit fällt. So landet sie in „Rubinrot“ in der Feudalzeit und dem frühen 20. Jahrhundert, wo (oder besser wann) Gwendolyn jeweils in passenden, glamourösen Kostümen (James Bonds „Q“ entspricht in dieser weiblichen Fantasiewelt einer in Modefragen aller Zeiten kompetente Schneiderin) von einem erfahrenen Zeitreisenden namens Gideon de Villiers begleitet wird. Dieser entpuppt sich als ein arroganter, jedoch sehr attraktiver junger Mann, dessen Zähmung im Laufe der Handlung zu Gwendolyns Aufgaben zählen wird. Aber am wichtigsten ist es für sie, die Rätsel der Geheimorganisation zu lösen, die sie und Gideon auf die Zeitreisen schickt und deren Herrscher ein düsterer, mit übernatürlichen Kräften ausgestatteter Adeliger in der Vergangenheit ist.
Die gesamte Geschichte spielt in London und wie schon seit den Zeiten der Edgar-Wallace-Krimis wird im deutschen Genrekino immer versucht, mit möglichst wenigen an den Originalschauplätzen gedrehten Aufnahmen einen halbwegs authentischen Eindruck zu erwecken. Hier ist dies dem Produktionsteam recht gut gelungen, aber wenn man genau hinsieht, kann man ein paar dicke Patzer entdecken.
Unter den vielen deutschen Schauspielern, die die bunten und pittoresken Nebenfiguren verkörpern, dürfen die üblichen Verdächtigen natürlich nicht fehlen. Veronica Ferres ist als Gwendolyns Mutter gewohnt steif und kalt. Katharina Thalbach ist zur Zeit in Film und Fernsehen allgegenwärtig. In „Hai Alarm im Müggelsee“, der in dieser Woche ebenfalls in die Kinos kommt, spielt sie „die zynische Irre“, in der Fernsehsatire „Der Minister“ war sie als „Angela Murkel“ zu sehen, hier gibt sie die wahrsagende Großmutter der Heldin und inzwischen sieht man jedes Mal nicht mehr eine neue Figur, sondern nur noch Katharina Thalbach in einer weiteren seltsamen Verkleidung. Überzeugender ist dagegen Rüdiger Vogler in der Rolle eines fürsorglichen Arztes, der dem jungen Paar gegen die ansonsten allmächtig erscheinende Organisation hilft, obwohl er dieser selber angehört.
In „Rubinrot“ werden viele Erzählstränge begonnen und keiner zu Ende geführt, denn der Film ist eindeutig als der Beginn einer Fortsetzungsreihe konzipiert. Doch zumindest auf einer Ebene wird den Zuschauerinnen ein befriedigendes Ende gewährt: Es kommt zum ersten Kuss zwischen Gideon und Gwendolyn.