: Ihr Leben retten
Muslimgruppen setzen sich mit Politikern und Kirchenvertretern für Susanne Osthoff ein
AUS LEVERKUSEN PASCAL BEUCKER
Die muslimischen Dachverbände in Deutschland wollen alles ihnen mögliche für die Freilassung der vor mehr als einer Woche im Irak entführten Susanne Osthoff unternehmen. „Für mich kommt alles in Frage, was ihr Leben retten kann“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, der taz. „Wir wären auch bereit, uns an einer Delegation zu beteiligen, die vor Ort Verhandlungen führt“, so Elyas. Er könne sich sogar vorstellen, sich selbst den Geiselnehmern für einen möglichen Austausch zur Verfügung zu stellen: „Das ist für mich nicht ausgeschlossen.“ Auch der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, betonte gegenüber der taz: „Wir bieten der Regierung und dem Krisenstab unsere volle Unterstützung an.“
Elyas wandte sich darüber hinaus auch in einem Schreiben an die in dieser Woche in Mekka stattfindende Gipfelkonferenz der islamischen Staaten. „Von den islamischen Führern erwartet die Welt mit Recht eine eindeutige, unmissverständliche Verurteilung einer jeden Art von Gewalt, Terror und Menschenverachtung im Allgemeinen und insbesondere von solchen Taten, die im Namen des Islam verübt werden“, stellte der muslimische Zentralratsvorsitzende in seiner Note fest.
Elyas und Kizilkaya waren am Samstag am Rande des Jahrestreffens der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) in Leverkusen zusammengetroffen. Gemeinsam mit deren Präsidenten Ibrahim F. El-Zayat und Oguz Ücüncü, dem Generalsekretär der islamistischen Milli-Görüs-Gruppe, verurteilten sie dort die Entführung Osthoffs „auf das Schärfste“. Zuvor hatte bereits Ridvan Çakir, der Präsident des größten Zusammenschlusses von Muslimen in der Bundesrepublik Ditib, in einer Erklärung hervorgehoben: „Für die Entführung einer Frau kann es keinerlei religiöse Begründung geben, selbst im Falle eines Krieges.“
Elyas und Kizilkaya gehören auch zu dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeführten Kreis von Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft, die sich in der Bild am Sonntag in Aufrufen für die Freilassung Osthoffs einsetzten. In gestern unter der Überschrift „Lasst sie frei!“ veröffentlichten Aufrufen forderten ebenso der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, die Bischöfin Maria Jepsen, die Vorsitzende von Unicef Deutschland, Heide Simonis, FDP-Chef Guido Westerwelle, DGB-Chef Michael Sommer, DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun, Grünen-Chefin Claudia Roth, der Vorsitzende von Care International, Heribert Scharrenbroich, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der EU-Chefdiplomat Javier Solana ein sofortiges Ende der Geiselnahme.
Unterdessen demonstrierten am Samstag in Offenbach rund 100 Menschen für die Freilassung der entführten Deutschen. Zu der Solidaritätskundgebung unter dem Motto „Nein zu Terrorismus – Freiheit für Susanne Osthoff“ hatte der Ausländerbeirat der Stadt aufgerufen. „In dieser kritischen Situation ist es besonders wichtig, ein eindeutiges Zeichen für die Menschlichkeit und damit gegen jede Form des Terrorismus zu setzen“, begründete der Ausländerbeiratsvorsitzende Abdelkader Rafoud seine Initiative.
Bereits am Freitagabend hielten vor dem Rathaus im oberbayerischen Glonn rund 50 Freunde und Bekannte von Osthoff eine Mahnwache für die Archäologin und ihren mitentführten Fahrer ab. In einer kurzen Ansprache rief die Organisatorin Angela Rogoll-Gottwald dazu auf, Osthoff „gedankliche Carepakete“ zu schicken. Glonns Bürgermeister Martin Esterl (SPD) sagte, es gehe ihm um „ein Zeichen der Solidarität“. Das Thema bewege die Menschen in seiner Gemeinde sehr. Susanne Osthoff hatte vier Jahre in Glonn gelebt. Laut Esterls Angaben nahmen auch ihre Mutter und ihr Bruder an der Veranstaltung teil.
Noch immer ist unklar, wer genau hinter der Entführung der 43-jährigen Osthoff steckt. Die Entführer selbst nennen sich „Saraja al-Salasil“, was mit „Sturmtruppen der Erdbeben“ oder auch „Brigaden der Erschütterung“ übersetzt werden kann. Dahinter könnte sich laut Spiegel eine nationalistisch-irakisch ausgerichtete Gruppe verbergen. Möglicherweise gehöre sie den „Ischrin-Brigaden“ an, die sich nach der Aufstandsbewegung gegen die Briten 1920 benannt haben und die wiederum der bewaffnete Arm einer Dachorganisation mit Namen „Islamischer Widerstand im Irak“ seien. Die seit zwei Jahren aktiven sunnitischen „Ischrin-Brigaden“ werden bislang zwei Entführungsaktionen von Ausländern im Irak zugeschrieben, die jeweils mit der unversehrten Freilassung der Geiseln endeten. Sie kämpfen für die Beendigung der Besatzung und der Abhängigkeit vom Ausland sowie die Errichtung eines freien Irak auf islamischer Grundlage. Mit der irakischen Filiale des Al-Qaida-Netzwerks sollen sie indes nichts zu tun haben.
„Bedauerlicherweise ist es uns in der ersten Woche nicht gelungen, mittelbar oder unmittelbar Kontakt zu den Entführern aufzunehmen“, musste Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Wochenende einräumen. Zu Berichten, dass bereits am Freitag ein erstes Ultimatum der Kidnapper abgelaufen sei, wollte sich das Auswärtige Amt gestern nicht konkret äußern. Die Bundesregierung könne nicht in Details ihrer Bemühungen um eine Freilassung der Geisel gehen, ohne diese Bemühungen zu gefährden, sagte ein Sprecher.