portrait : Taiwans Saubermann der Zukunft
Im grauen Blazer über dem aufgeknöpften schwarzen Hemd riss er die Arme hoch und zeigte Fäuste. Ma Ying-jeou machte eine gute Figur. Man sagt, schon sein Aussehen brächte ihm viele Stimmen. Doch verbal legte der taiwanische Oppositionsführer am Abend seines ersten großen Wahlerfolgs nicht nach. Es gäbe keinen Grund, stolz zu sein, diktierte der 55-Jährige seiner siegeshungrigen Partei. Einen Abend dürfe man feiern, aber am nächsten Morgen gehe es wieder an die Arbeit.
Ma hat am Samstag die Lokalwahlen auf Taiwan gewonnen. 52 Prozent der inselweit abgegebenen Stimmen, mit Ausnahme der Großstädte Taipeh und Kaohsiung, gingen an seine Nationalisten, die Kuomintang-Partei (KMT). Dagegen erhielt die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) von Präsident Chen Shui-bian nur 42 Prozent. Für Ma, der Chen zuletzt 1998 bei der Bürgermeisterwahl von Taipeh schlagen konnte, war das ein Riesenschritt in Richtung seiner Kandidatur bei den nächsten taiwanischen Präsidentenwahlen 2008. Sowohl DPP-Chef Su als auch der amtierende DPP-Regierungschef Hsieh werden das Wochenende politisch wohl nicht überleben.
Chen als vorzeitig seiner Macht beraubter Präsident und Ma als sein kaum mehr zu stoppender Nachfolger – mit diesem trügerischen Bild der taiwanischen Politik muss der Wahlsieger nun über zwei Jahre leben. Keine leichte Aufgabe. Doch von Washington bis Peking setzt man heute auf den Mann, der wie kein Zweiter geeignet scheint, dem innerchinesischen Frieden dauerhaften Charakter zu geben. Verhandeln mit China ist besser als Konfrontation, sagte Ma in jeder Rede. Er will weg von den gegenseitigen Beschuldigungen mit Peking, stattdessen Vertrauen zum großen Nachbarn aufbauen. Zugleich glaubt niemand, er sei ein Umfaller, denn ihn schmücken die Lorbeeren seiner nahezu lupenreinen demokratischen Vergangenheit.
Ma wurde 1950 in Hongkong in eine Familie von Kuomintang-Anhängern hineingeboren. 1951 flohen sie aus der damaligen Kronkolonie nach Taiwan. Aus der KMT-Regierung der 90er-Jahre wurde Ma entlassen, weil er hinter den Demonstranten auf dem Tiananmenplatz in Peking stand und als Justizminister zu hart gegen die Korruption in den eigenen Reihen vorging. Das alles nützt ihm heute. Im Wahlkampf stand diesmal die DPP unter dem Verdacht, Stimmen gekauft zu haben – genauso wie früher die KMT, als sie viele Jahre lang, von 1949 bis 2000, Taiwan regierte. Die neue, von Ma geführte KMT aber hat sich bisher keiner Korruptionsvorwürfe ausgesetzt gesehen. Bleibt es dabei, hat Ma 2008 fast schon gewonnen. GEORG BLUME