piwik no script img

Archiv-Artikel

Kirchhof kommt der CDU zu Ehre

Während die CDU bundesweit den Anteil ihres Steuerexperten Paul Kirchhof an dem schlechten Wahlerfolg debattiert, hat die Bremer CDU den umstrittenen Professor zum Empfang geladen

Bremen taz ■ Während in Berlin in der CDU-Klausurtagung die Frage debattiert wurde, welche Faktoren zu dem überraschend schlechten Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl geführt haben, verteilte in Bremen der Wirtschaftsrat der CDU die Einladung zum Neujahrsempfang – aufgerechnet mit dem Mann aus dem Kompetenzteam von Angela Merkel, der die meisten Stimmen gekostet hat: Paul Kirchhof, Ex-Verfassungsrichter und Steuerexperte.

Der Name Kirchhof fiel auch dem Bremer CDU-Vorsitzenden Bernd Neumann als erstes ein, als er vor zwei Wochen gefragt wurde, welche Themen denn an jenem Montag, den 6. Dezember angesprochen werden würden. Trotz ihrer großen Medienpräsenz hatten CDU/CSU das zweitschlechteste Wahlergebnis seit 1949. Und daran, so der Medienforscher Uwe Mommert von der Landau Media AG, waren die „Negativschlagzeilen“ schuld. Die Berufung von Kirchhof ins Kompetenzteam sei geradezu eine „Steilvorlage“ für die SPD gewesen, seine Steuer-Vorschläge trugen mit dazu bei, dass der CDU das Image der „sozialen Kälte“ anhaftete. Neumann streitet für eine Korrektur dieses CDU-Bildes – sein langer Arm reicht aber offenbar nicht einmal bis zum Bremer Wirtschaftsrat: „Ist die notwendige Steuerreform gegenwärtig möglich?“ ist die böse Fragestellung, über die sich Kirchhof am 16. Januar in der Bremer Bank ausbreiten soll. Und man ahnt, wer die notwendige Steuerreform verhindert: die böse Merkel-CDU.

Für die Bremer CDU ist das Thema doppelt ärgerlich. Auf ihrer internen Klausur am 26. November hatte es mehrere kritische Papiere gegeben. Der Abgeordnete Frank Imhoff etwa hatte festgestellt, dass die CDU in Bremen bei Bürgerschaftswahlen nach dem Bundestagswahlergebnis „ein Stimmergebnis von nur Mitte 20 Prozent“ erwarten könne. Kein CDU-Politiker habe bei der letzten Meinungsumfrage der CDU eine „überdurchschnittlich gute persönliche Beurteilung“ gehabt. Mit diesem Ergebnis sei „die Wahrscheinlichkeit einer Fortführung der großen Koalition nicht gegeben“, folgert Imhoff, weil eben das Profil, nicht erkennbar“ sei.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Claas Rohmeyer, hatte dem internen CDU-Zirkel Zahlen präsentiert, nach denen die Lage eigentlich noch schlimmer ist als das Ergebnis: Bei den 18 bis 25-Jährigen habe die CDU nur einen Anteil von 13,4 Prozent, in allen Altersgruppen unter 60 Jahren unter 20 Prozent. Nur die über 60-Jährigen hätten mit einem CDU-Anteil von 38 Prozent das Stimmergebnis für die CDU über die 20 Prozentmarke gedrückt.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmut Perschau hatte zur „Geschlossenheit“ aufgerufen, der „Disput um Positionen sei eine „interne Angelegenheit“. Die CDU solle mehr die „weichen“ Themen besetzen, eben „Bildung, Frauen, Familien, Jugend, Umwelt“. Da passt die Einladung an den Heidelberger Professor, der mit seinen neoliberalen Steuerideen die CDU-Wählerbasis verstört hatte und vor Jahren sich für die Abschaffung des Stadtstaates stark gemacht hatte, wie die Faust aufs Auge.

Klaus Wolschner