Rundgang Hamburger Hauptkirchen: Pilgerreise durch die Hansestadt

Eine Stadttour führt während des Kirchentags an Hamburgs Hauptkirchen vorbei. Der Rundgang ist eine Reise durch die Jahrhunderte.

St. Jacobi Kirche in Hamburg Bild: dpa

HAMBURG taz | „Ach, wer kommt denn da? Ein armer Sünder?“ Das Mikrofon üersteuert, Schauspielerin Herma Koehn hat wohl zu laut gesprochen. Die Zuschauer halten sich die Ohren zu. Es ist die erste Station des szenischen Rundgangs zu den Hamburger Hauptkirchen, einem extra für den Evangelischen Kirchentag erstellten Schauspiel, das wichtige Eckpunkte der Stadtgeschichte mit Schauspielern nacherzählt.

Etwa 250 Menschen haben sich zum zweistündigen Rundgang eingefunden und verfolgen jetzt gespannt, was auf der kleinen Bühne vor ihnen passiert. Koehn, gehüllt in einem dunkelblauen Mantel, spielt eine Schwester der „Blauen Süstren“, eine Hamburger Ordensgemeinschaft aus dem 13. Jahrhundert.

Die „Blauen Süstren“ lebten in der Steinstraße im Zentrum Hamburgs gegenüber der St. Jacobi-Kirche, an der das Stück nun aufgeführt wird. Wenn damals ein armer Sünder auf dem Weg zu seiner Hinrichtung an ihrem Haus vorbeikam, so bekam er nach altem Brauch von den „Blauen Süstren“ seinen letzten „Labetrunk“ ausgeschenkt.

Dr. Rita Bake freut sich über die große Resonanz auf den Rundgang. Sie ist Initatorin der Veranstaltung und konzipiert schon seit zehn Jahren Touren durch Hamburg, immer zu unterschiedlichen Themen. Diesmal liegt der Fokus aber auf den Themen Würde und Gleichheit, besonders in Bezug auf die Frau.

Straßenmusikanten

Die ersten Zuschauer verabschieden sich schon wieder nach der ersten Szene. Es ist ihnen zu heiß, die Sonne blendet und sie können die Bühne nicht sehen. Bake hält ihre Heftmappe hoch und versucht, die Gruppe durch die kleinen Straßen zur nächsten Kirche zu führen.

Ein paar Straßenmusikanten begleiten die Pilgergruppe; die fröhlichen Evangelen stimmen sofort ein und vergessen in ihrer Freude, dass sie gerade den Fahrradweg blockieren. Verärgerte Radfahrer klingeln sturm. Weiter geht es an der St. Petri-Kirche, als „endlich auch die letzten Fußkranken dort ankommen“, wie ein Rentner spottet.

Mittlerweile spielen die Szenen im 17. Jahrhundert. Es geht um das Hamburger Stadtrecht von 1603, das alle Frauen und Jungfrauen unter männliche Vormundschaft stellte. Die oft ironischen und kritischen Texte stammen von Historikerin Bake selbst: „Das muss so sein“, sagt sie. Sätze wie „Das männliche Geschlecht ist edler, als das weibliche oder „die Frau ist wie ein verkrüppelter Mann“ provozieren beim überwiegend weiblichen Publikum spontane Buh-Rufe und Pfeiffkonzerte.

Auch die Männer schütteln den Kopf. Auf dem Weg zur nächsten Spielstätte erzählt ein Herr aus Hildesheim von der Erziehung seiner drei Töchter zu emanzipierten Frauen.

Geschockt über die Ansichten der Männer

Er ist geschockt von den Ansichten der Männer damals: „Gut, dass das vorbei ist!“ Vor der St. Katharinenkirche lässt die Stärke der Lautsprecher, die die Schauspieler um die Hüfte tragen, langsam nach, bestimmt ist die Batterie bald leer.

Ein Junge brettert mit seinem Cityroller über das Kopfsteinpflaster, die Kirchenglocke läutet und von der Hauptstaße hallt der Straßenlärm im Kircheninnenhof. „Leider gar nichts verstanden, dann muss ich das wohl googeln“ scherzt eine Rentnerin. Die Protestanten sind tatsächlich extrem fortschrittlich.

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