: „Noch viele Hindernisse“
JUBILÄUM Der in Bremen ansässige Verband klein-wüchsiger Menschen und ihre Familien wird 25
■ 70, gründete 1988 den Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V.
taz: Herr Klingebiel, warum haben Sie damals den Verein gegründet?
Karl-Heinz Klingebiel: Der Auslöser war ein Auftritt von mir in der ARD-Sendung „Ratgeber Gesundheit“, wo ich erzählte, wie wir unser Haus so gebaut haben, dass unser Sohn alles so benutzen kann wie wir anderen. Wir haben die Fensteröffner beispielsweise unten am Fenster angebracht und Lichtschalter niedriger gesetzt. Nach der Sendung hat die Redaktion 2.500 Zuschriften bekommen.
Von Eltern, die Bautipps haben wollten?
Nein, überwiegend von Menschen, die kleinwüchsig waren oder ein kleinwüchsiges Kind hatten und denen es an Informationen mangelte – wie uns auch.
Es gab keine Forschung?
Kaum. Es gab damals in Baltimore ein Zentrum und in Deutschland einen Professor in Mainz, der sich auskannte.
Das ist jetzt anders?
Es gibt rund 650 Ursachen, die zu Kleinwüchsigkeit führen können, da gibt es auch heute noch in Europa nur zwei, drei Leute, die das überblicken können. Aber es gibt eine Reihe von Spezialisten für einzelne Krankheitsbilder. Da können wir als Selbsthilfeverein weiter vermitteln. Ich kann mittlerweile beim Anblick eines Kindes Eltern einen Tipp geben, an wen sie sich wenden können. Das spart viele unnütze Untersuchungen. Unsere Hilfe stärkt Familien, dass sie nicht psychisch krank werden.
Was hat sich noch geändert?
Durch die Forschung zur Lebenssituation von Kleinwüchsigen, die wir angeregt oder selbst durchgeführt haben, hat sich deren schulische und berufliche Situation verbessert. Fast alle Kinder gehen in Regelschulen und bekommen als Erwachsene eine vernünftige Arbeit und müssen nicht mehr zu Hause sitzen oder den Pförtner an der Ecke geben.
Was macht ihr Sohn heute?
Der hat Veranstaltungstechnik und -management studiert und arbeitet in Berlin bei großen Veranstaltungen. Als der Papst und Obama in Berlin waren, war er ganz nah dabei.
Fühlt er sich noch behindert?
Es gibt im Alltag noch viele Hindernisse. Das beginnt in Bremen beim Bahnhofsvorplatz, das ist für alle, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, also auch Ältere oder Mütter mit Kinderwagen, entsetzlich. Von überall kommt dort eine Straßenbahn. Und wenn mein Sohn mit dem Koffer 150 Meter zum Zug laufen muss, ist das sehr anstrengend und dann führen oft nur hohe Stufen in den Zug.
Was müsste sich noch ändern?
Die Kassen und der Staat müssen die Forschung an seltenen Erkrankungen stärker finanzieren und die Arbeit der Selbsthilfegruppen. INTERVIEW: EIB
Feier und Eröffnung des dreitägigen Symposiums: Rathaus, 17 Uhr