: Pampa-Papa rockt Rom
FRANZ Der argentinische neue Papst soll die Kirche globalisieren. Ob er das schafft, entscheidet sich an seinem Personal
AUS ROM MICHAEL BRAUN UND BERNHARD PÖTTER
Die römisch-katholische Kirche ist seit Mittwochabend wieder ein bisschen weniger römisch. Nach einem Polen und einem Deutschen ist nun der Argentinier Jorge Mario Bergoglio der 267. Papst, die Dominanz der Italiener auf dem Chefsessel der Kirche ist gebrochen.
Und die italienischen Zeitungen finden das gut: „Die Überraschung Franziskus“, titelt der Corriere della Sera, ohne ein Wort des Bedauerns darüber, dass wieder kein Italiener zum Zug kam. Stattdessen: geradezu emphatische Töne für den Neuen, dem bescheinigt wird, er habe den „Willen zum Wandel ohne falsche Rhetorik“. Ein „einfacher Christ“ sei da ins Amt gelangt, ja eine „Revolution“ habe stattgefunden. Auch La Repubblica spricht von „Revolution“ und einem „Basta zu den italienischen Intrigen und Erpressungsmanövern in der Kurie. Selbst der stramm linke Il Manifesto kommt zu dem Ergebnis: „Es siegt die Partei der kurienfernen ‚Pastoren‘. Die Römer sind geschlagen.“
Die deutschen Bischöfe sehen das ähnlich. Sie sprechen davon, dass ja auch der heilige Franziskus in der Kirche „nicht so beliebt war, sondern die Leute verstört hat“, wie der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagt. Für ihn habe gegolten: „Es gibt keine Regel. Die Regel ist das Evangelium“. Deutlicher kann ein Kirchenfürst kaum sagen, dass sich die vatikanische Kurie bei Papst Franziskus warm anziehen muss. Und der Berliner Kardinal Rainer Woelki meint, in Zukunft werde „sehr viel mehr der Blick der Weltkirche“ gelten: Auch in Europa müsse man „neu über soziale Gerechtigkeit, Armut, Menschen- und Drogenhandel“ reden. Auch die Kirchenreformer erwarten viel vom neuen Pontifex (siehe Interview).
Wie der Neue im Amt mit diesen Erwartungen umgeht, ist unklar. Klar ist bisher nur, dass er theologisch konservativ ist, aber in sozialen Fragen durchaus aufgeschlossen. Ähnlich wie Johannes Paul II. könnte er gegen die Ausbeutung der Menschen im globalen Kapitalismus predigen und sich für Frieden und Versöhnung zwischen den Weltgegenden einsetzen. Immerhin entstammt er einem Kontinent, der mit über 40 Prozent die Mehrheit der weltweiten Katholiken ausmacht.
Wichtig wird erst einmal, wie der neue Papst die vatikanischen Kongregationen, seine „Ministerien“, neu besetzt. Dabei wird ihm der Geheimbericht über die Fehler und Erpressbarkeiten in der Verwaltung helfen, dem ihm drei pensionierte Kardinäle geschrieben haben. Für die Anliegen der dezentralen Ortsbischöfe könnte der „Papst vom Ende der Welt“, wie er sich selbst nennt, deutlich mehr Sympathie pflegen als seine europäischen Vorgänger. Auch bei einem schnellen Besuch bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. will sich der argentinische Papst Rat holen. Denn der Pampa-Papa ist in Rom bisher kaum vernetzt, er hat hier nicht länger gearbeitet, dafür in Deutschland studiert. Doch er wird sich sein enges Netz aus Vertrauten zum Schutz aufbauen müssen, um sich gegen die eingespielten Seilschaften im Vatikan zu behaupten. Wie weit er bei einer Reform der Kurie vorankommt, wird über das Schicksal seines Amtes entscheiden.
Stützen kann er sich dabei auf seine Heimat, den Jesuitenorden. Diese Gemeinschaft wurde 1534 als Gegenreaktion der katholischen Kirche auf die protestantische Reformation von dem Spanier Ignatius von Loyola gegründet. Der Orden mit dem offiziellen Titel „Societas Jesu“ (SJ) trieb die Gegenreformation voran, investierte vor allem in Schulen und Universitäten und erwarb sich einen zweifelhaften Ruf als Geheimdienst des Vatikans und Strippenzieher der damaligen Weltpolitik. Der Orden war zeitweise so mächtig und wurde als Verschwörung angesehen, dass er zwischenzeitlich etwa in Spanien, Frankreich und der Schweiz verboten wurde.
Auch in Deutschland wurden die Jesuiten von 1872 bis 1917 des Landes verwiesen. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Jesuiten einen Ruf als unabhängige und kritische Denker innerhalb der Kirche erworben, die offen sind für den Dialog mit Andersdenkenden. Es war der Jesuit Klaus Mertes, der als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs 2010 die weltweite Debatte um den Missbrauch an Schülern lostrat.
Auch in der Kirche waren die Jesuiten nicht immer beliebt: Papst Klemens XIV. hob 1773 den Orden auf. Ein Grund für die Kardinäle, im Konklave darüber zu witzeln, der neue Papst könne sich Klemens nennen – als späte Revanche.